Die S-Bahnen werden immer unpünktlicher. Das einst für 250 000 Fahrgäste täglich ausgelegte System transportiert heute 400 000 Personen, Tendenz steigend. Doch die Bahn spart sogar an der Wartung von Weichen und Oberleitungen. Auch sonst steigt der Anteil des öffentlichen Verkehrs. Allerdings recht ungleichmäßig. In der Innenstadt und auf dem Weg dorthin nutzt jeder Zweite Bahn und Bus. In der Stadt Stuttgart insgesamt ist es nur jeder Vierte, in der Region jeder Sechste. Das nimmt nicht wunder. In der Stadt gibt es ausreichend Stadtbahn- und Buslinien. Die Anschlüsse funktionieren. Parkplätze sind Mangelware. Im Berufsverkehr kommt es zum Stau: Auf dem Weg zur Arbeit nutzen sogar 45 Prozent aller Stuttgarter den ÖPNV. Doch mit zunehmendem Abstand vom Zentrum werden die Taktzeiten länger, in ländlichen Gebieten ist abends früh Schluss und am Wochenende nicht mehr viel los. Wenn im Berufsverkehr die Umsteigeverbindungen nicht erreicht werden, bleibt nur das eigene Auto.
Nachhaltige Mobilität, das bedeutet weniger Emissionen, weniger Ressourcen- und Flächenverbrauch. Mit anderen Worten: weniger Autoverkehr. Nun nimmt der Fußgänger-, Fahrrad- und öffentliche Verkehr ohnehin zu, nicht nur in Stuttgart. Dennoch wird der Autoverkehr nicht weniger. Damit mehr Autofahrer umsteigen, müsste der Umweltverbund gestärkt werden. Davon reden alle. Was tatsächlich passiert, zeigt sich am Neckarufer bei Bad Cannstatt: Dort wird derzeit der Rosensteintunnel gebaut, damit der Autoverkehr noch besser fließt. Kostenpunkt mindestens 200 Millionen Euro. Die Fußgängerstege über Straße und Fluss werden abgebrochen. Radfahrern und Fußgängern bleibt nur der Weg am Rand der achtspurigen König-Karls-Brücke.
Jörg Schlaich hat es vorgemacht: Seine Fußgängerstege, 1993 zur Internationalen Gartenbauausstellung erbaut, führen in elegantem Schwung über die Hauptausfallstraßen hinweg. So lässt es sich per pedes selbst in Stuttgart gut aushalten. Schlaich hatte seinerzeit auch einen Steg von der Staatsgalerie zum Schlossgarten vorgeschlagen. Stattdessen wurde der bestehende bei der Landesbibliothek abgerissen. Neue Fußgängerbrücken, die nicht mehr als einstellige Millionenbeträge kosten und auch Radfahrern das Leben erleichtern, wurden seither nicht bewilligt. Als dagegen die Heilbronner Straße ab 2012 für den Autoverkehr weiter ausgebaut wurde, titelte die "Stuttgarter Zeitung" "Widerspruch ist sinnlos".
Das Monopol der Deutschen Bahn aufbrechen
Nun sind Radwege Sache der Kommunen. Darauf verweist Winfried Hermanns Pressesprecher Edgar Neumann. Allerdings können sie Landeszuschüsse in Anspruch nehmen, die der Verkehrsminister noch ausbauen will. Günstige Tickets könnten dem ÖPNV neue Fahrgäste bescheren. Allerdings ist auch dafür nicht das Land zuständig, sondern die Verkehrsverbünde. "Die S-Bahn hat bedauerlicherweise in den vergangenen Monaten große Probleme mit der Pünktlichkeit", beschreibt Neumann eines der Hauptprobleme: "Als Nutzer dieses Verkehrsmittels bin ich selbst Tag für Tag davon betroffen. Allerdings haben wir als Land darauf keinen Einfluss, denn der Aufgabenträger ist der Verband Region Stuttgart."
Was tut also das Land? Einen Gesetzesentwurf des Ministers zur Stärkung des ÖPNV in der Region Stuttgart hat der Landtag kürzlich einstimmig angenommen. An erster Stelle steht darin zu Recht wiederum die Pünktlichkeit der S-Bahnen. Nur wird dies nicht mehr als ein weiterer Appell bleiben, der so wenig fruchtet wie alle vorangegangenen. Aber Hermann will den Regionalverkehr stärken: Unter der neuen Bezeichnung Metropol-Express sollen die Regionalzüge in die Region künftig im Halbstundentakt fahren. Das Monopol der Deutschen Bahn will er aufbrechen und mindestens einen anderen Anbieter an Bord holen.
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Tillupp
am 22.04.2015