Alte Baumriesen spenden Schatten, Wiesen tauchen die Szenerie in Grün, aus Brunnen sprudelt frisches Mineralwasser – wer Ruhe und Erholung vom Großstadttreiben sucht, findet sie im Kurpark in Stuttgart-Bad Cannstatt. Das wusste schon Gottlieb Daimler zu schätzen. Am Rande dieses Idylls kaufte sich der Ingenieur im Jahre 1882 eine Villa. In deren Gartenhaus tüftelte er mit Wilhelm Maybach Tag und Nacht an der Vision individueller Mobilität. 1885 bauten die beiden die sogenannte Standuhr: den weltweit ersten kleinen schnelllaufenden Verbrennungsmotor, der mit Benzin betrieben wurde. Eine getunte Version dieses Modells ließen sie im Sommer 1886 in eine Pferdekutsche montieren. Anschließend unternahmen sie streng geheime Fahrversuche zwischen Esslingen und Bad Cannstatt. Diese Motor-Kutsche war das erste Automobil mit vier Rädern und einem Benzinmotor.
Man stelle sich Gottlieb Daimler heute vor, wie er sich mit einem Daimler von seinem Anwesen am Kurpark auf eine Fahrt nach Stuttgart aufmacht. Der Autopionier würde staunen, welche Malaises er mit der Standuhr angestoßen hat: Stauhauptstadt, Feinstaubalarm, Messstellendauerrekord am Neckartor – längst ist Daimlers einstige Vision für viele Stadtbewohner durch schlechte Luft, Lärm, Flächenverbrauch, Staus und Klimaerwärmung zum Albtraum geworden.
Auch deshalb lässt sich das Ende von Daimlers Erfindung absehen. Volvo will in zwei Jahren nur noch Autos mit E-Motoren produzieren. In Großbritannien und Frankreich sollen ab 2040 keine neuen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor mehr auf die Straßen rollen. In Norwegen könnte das E-Zeitalter schon 2025 beginnen. Die deutsche Autoindustrie hält (noch) unbeirrt an der alten Technologie fest, lobt vermeintliche Umweltprämien aus, um den eingebrochenen Dieselabsatz anzukurbeln. Oder versucht, sich vom Abgasbetrug freizukaufen, indem sie zur Hälfte den Fonds "Nachhaltige Mobilität für die Stadt" füllt, der Anfang August beim Berliner Dieselgipfel mit der Politik vereinbart wurde.
Geld von Daimler soll Verkehrskollaps beheben
Mit 500 Millionen Euro sollen in den 28 besonders abgasbelasteten Regionen Deutschlands der öffentliche Personennahverkehr, intelligente Verkehrssteuerungs- und Parkleitsysteme, neue Schienenfahrzeuge und emissionsarme Busse sowie eine bessere Radverkehrsinfrastruktur gefördert werden. Es besitzt eine gewisse Ironie, dass damit auch Geld vom Autokonzern Daimler in die Heimatstadt seines Namensgebers fließt, um den Fluch des überbordenden Verkehrs zu mildern.
3 Kommentare verfügbar
Fritz Meyer
am 28.08.2017Da haben wir die Neureichen, die mit ihren übermotorisierten…