Und plötzlich ging alles ganz schnell. "SPD und Grüne forcieren die autofreie Innenstadt", titelt die Südwestpresse am 21. Juni, Ähnliches melden die "Stuttgarter Zeitung", das "Schwäbische Tagblatt" und der SWR. Zwei Tage vor der Kreismitgliederversammlung der Stuttgarter Grünen am vergangenen Donnerstag waren die beiden Fraktionen im Stuttgarter Gemeinderat mit einem Antrag vorgeprescht und feierten die eigene Fortschrittlichkeit. Noch vor der Sommerpause solle der Antrag beschlossen werden. Nur fehlt den beiden Parteien dafür die Mehrheit. Man hoffte wohl, dass die Fraktionsgemeinschaft SÖS-Linke-PluS schon mitziehen werde, schließlich ist sie Mitbegründerin der <link https: www.kontextwochenzeitung.de politik vision-possible-4409.html external-link-new-window>Initiative Stuttgart laufd nai, die – nach wie vor – ein Bürgerbegehren zu dem Thema auf den Weg bringen möchte.
Von einer autofreien Innenstadt steht in dem Antrag von SPD und Grünen freilich nichts. Stattdessen heißt es reichlich schwammig, die gesamte Innenstadt solle in einen "modernen, urbanen Lebensraum" umgewandelt werden. Bedeutet: Lieferverkehr fährt durch, und auch die Zufahrt zu den Parkhäusern bleibt möglich. Rund 6000 Stellplätze gibt es in den Parkhäusern innerhalb des Stuttgarter Cityrings. Nicht einmal die Hälfte davon ist direkt vom Cityring aus anzusteuern. Und auch wenn Grüne und SPD sagen, dass sie oberirdische Parkflächen zurückbauen wollen – im Antrag ist davon nichts zu lesen. Was auch der Bürger-Ini Stuttgart laufd nai auffiel, die sich seit Monaten intensiv mit den Planungen für eine Fußgängerzone innerhalb des Cityrings beschäftigt und lange am Entwurf ihres Bürgerbegehrens gefeilt hat.
Der Antrag kam für die Initiative völlig überraschend – obwohl Stuttgart laufd nai, wie Linken-Stadtrat Christoph Ozasek betont, mit den Grünen in intensivem Austausch stand. Schon lange diskutieren die Stuttgarter Grünen, ob die Partei der Initiative gar offiziell beitreten soll. Jetzt machen sie also ihr eigenes Ding mit der SPD.
"Ganz normal" findet den gemeinsamen Antrag der grüne Fraktionsvorsitzende Andreas Winter. Er sieht das Vorhaben "auf einem guten Weg" und will weiter "mit allen Fraktionen reden", denn er will "eine möglichst breite Mehrheit, weil die Sache so wichtig ist."
Besser als wenig Autos? Gar keine Autos!
Auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Martin Körner freut sich über den gemeinsamen Antrag mit den grünen RatskollegInnen, inhaltlich halte seine Partei die autoarme City für eine große Chance, sagt er. Und erklärt gerne, was ein "moderner, urbaner Lebensraum" ist. Wobei er den Begriff "Flaniermeile" – den übrigens die Grünen in einem ersten Antrag zum Thema im vergangenen November verwendet hatten – lieber mag. "Das ist ein Gebiet in der Stadt, wo man sich als Fußgänger gerne aufhält, weil es kaum, oder besser: gar keine Autos gibt", sagt er. Ohne den obligatorischen Hinweis auf die dadurch gesteigerte Kauflust zu vergessen. Wenn man schon gegen Autos ist, dann nicht auch noch gegen den Einzelhandel. Den Begriff "Fußgängerzone" in einem solchen Zielbeschluss festzuschreiben, hält er aber für falsch. "Das ist ein in der Straßenverkehrsordnung klar definierter Rechtsbegriff, und Radfahrer sind dort nicht erlaubt. Dabei wollen wir doch alle bessere Radfahrmöglichkeiten in der City."
Für Luigi Pantisano (SÖS) kann man das Grüne/SPD-Papier auf zwei Arten lesen, denn "90 Prozent der Straßen in der City führen irgendwie zu Parkhäusern." Der Antrag könne also bedeuten: Es ändert sich gar nichts. Oder man verstehe ihn so, "dass nur in die Innenstadt fahren darf, wer schon am Cityring ein Parkticket für ein bestimmtes Parkhaus gelöst hat. Das", meint Pantisano, "wäre ein echter Fortschritt."
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Ruby Tuesday
am 30.06.2017