Stau, Stress und schlechte Luft sind Alltag in deutschen Großstädten. Doch "nirgends brennt die Hütte so schlimm wie in Stuttgart", stellt Christian Hafensteiner vom ADAC fest, dort zuständig für Fragen rund um Mitfahrgelegenheiten und Fahrgemeinschaften. Mit dieser Erkenntnis ist er nicht allein, trotzdem ist sie bemerkenswert: Der größte Autoclub Europas hat sich zwar explizit die "Förderung der Interessen des Kraftfahrzeugwesens" als Aufgabe in die Satzung geschrieben. Doch selbst die einflussreichen Lobbyisten, für gewöhnlich konsequent bemüht im Werben um den Ausbau der deutschen Straßennetze, räumen inzwischen ein, dass der Autoverkehr in Großstädten überhandnehme, ja – man höre und staune – reduziert werden müsse!
Bei ständig überfüllten Straßen und bei VerkehrsteilnehmerInnen, die offensichtlich nicht gewillt sind, aus eigenem Antrieb aufs Fahrrad oder den öffentlichen Nahverkehr umzusteigen, wäre schon viel geholfen, wenn in den PKWs wenigstens mehr als nur der FahrerInnensitz belegt wäre. In der Landeshauptstadt sind pro Fahrt im Schnitt nicht einmal 1,3 Sitze belegt, im Berufsverkehr sind es noch deutlich weniger. Deutschlandweit gehören nur für knapp sechs Prozent der AutofahrerInnen auf dem Weg zur Arbeit Fahrgemeinschaften zum Alltag. Allen technologischen Vorzügen, die Internet, Apps und Co. bieten, zum Trotz sitzen dem Trend nach nicht mehr, sondern immer weniger Menschen in Deutschlands Autos. Daher bewirbt inzwischen sogar der ADAC offensiv Fahrgemeinschaften. Die Gleichung ist simpel. Wenn zwei AutofahrerInnen nicht alleine, sondern zusammen fahren, bedeutet das halb so viel Verkehr.
Stuttgart prescht mit zehn Plakaten voran
Die Stadt Stuttgart hat das riesige Potenzial erkannt und prescht tatkräftig mit einer Kampagne für Fahrgemeinschaften voran. Ganze zehn große Plakate hat sie vor einem halben Jahr aufgestellt, für die gut 800 000 Kraftfahrzeuge, die jeden Tag in den Stadtgrenzen verkehren. Außerdem gibt es einen Radioclip und ein Werbevideo, das in den vergangenen sechs Monaten immerhin fast 600 Mal <link https: www.youtube.com external-link-new-window>auf Youtube abgerufen worden ist. Zudem gibt es Beistand vom grünen Verkehrsminister höchstpersönlich. In Zeiten des anhaltenden Feinstaubalarms hat Winfried Hermann nämlich schon mehrfach an die StuttgarterInnen appelliert, wenn man das Auto schon nicht stehen lassen möchte, dann doch wenigstens gemeinsam zu fahren.
Wie viel all diese Anstrengungen nun tatsächlich bewirken, das weiß man nicht im Rathaus der Landeshauptstadt, und das will man offenbar auch gar nicht wissen. "Ob die Kampagne einen Effekt hat, wird nicht erfasst", sagt Pressesprecherin Jana Braun trocken. Eine Auswertung ist nicht geplant. Nun werden Wissen und Evidenz ja ohnehin allgemein überbewertet, viel wichtiger ist doch die Frage: Gibt es überhaupt andere Möglichkeiten, den Verkehr nachhaltig zu reduzieren, als ein paar Plakate auf und einen kaum beachteten Videoclip ins Netz zu stellen?
2 Kommentare verfügbar
Blender
am 17.04.2017