Dazu kommen Jahrzehnte alte Versäumnisse einer verfehlten Verkehrspolitik. Denn auch wenn einer im Remstal wohnt und auf den Fildern arbeitet, bleibt ihm im Regelfall nur der Weg mitten durch den Talkessel. Verkehrspolitik ist Stadtplanung. Die Probleme sind am besten zu lösen, wenn der Arbeitsplatz vom Wohnort nicht weit entfernt liegt. Lange Zeit wurde – wegen der Luftverschmutzung durch Fabriken – das Gegenteil gepredigt.
Um in Stuttgart eine Umkehr herbeizuführen, müsste massiv billiger Wohnraum im Stadtzentrum bereitgestellt werden – bei den explodierenden Bodenpreisen eine Quadratur des Kreises. Oder die Betriebe müssten sich aufs Umland verteilen. Wenn die Allianz nun aus der Innenstadt nach Stuttgart-Vaihingen ziehen will, ergibt sich eine solche Chance: Aus den Gebäuden im Talkessel müsste bezahlbarer Wohnraum werden. Fragt sich, was das kostet, denn der Versicherer will sicher Kasse machen.
Auch das allerhinterste Dorf muss mit Öffentlichen gut erreichbar sein
Davon abgesehen lässt sich ein Umsteigen auf den Umweltverbund – Fahrrad, Fußgänger und öffentlicher Verkehr – nicht durch Appelle erreichen, sondern nur durch verkehrspolitische Steuermaßnahmen: Fahrpreissenkungen im öffentlichen Verkehr. Höhere Gebühren für Parkplätze im Verbund mit einem großzügigen und vorteilhaften Ausbau des Park-and-ride-Systems. Wie kann es sein, dass das Parkhaus am Cannstatter Wilhelmsplatz in der Regel zu großen Teilen leer steht, statt dass Autofahrer hier anhalten und in die S-Bahn umsteigen?
Noch immer dauert es für Fußgänger an vielen Ampeln jedenfalls gefühlt sehr lange, bis sie die Straße zur Hälfte überqueren können, um dann erneut vor einer roten Ampel zu stehen. So fördert man nicht das Zufußgehen. Noch immer müssen sich Fußgänger und Radfahrer häufig dieselben Wege teilen. Eine eigene Fahrspur für Radler, von der Autostraße abgezweigt, könnte Abhilfe schaffen. Fahrspuren schmaler machen; dann geht die Geschwindigkeit zurück. Zebrastreifen statt Fußgängerampeln und enge Unterführungen: Das wären positive Impulse für die Fortbewegung auf Schusters Rappen.
Es gibt genug gute Beispiele, von Kopenhagen bis zum New Yorker Times Square. Helsinki will das private Automobil überflüssig machen. Daran könnte sich Stuttgart ein Beispiel nehmen. Etwas schwieriger, sicher – Stuttgart hört nicht an der Stadtgrenze auf. Es wäre eine Aufgabe für die Region, die sich bekanntlich nur schwer einigen kann. Aber genau darauf kommt es an: auf eine abgestimmte Wohnungspolitik und ein öffentliches Verkehrsangebot, das auch die hintersten Dörfer erreicht. Andernfalls werden Stau und Feinstaub trotz EU-Klage noch lange ein Problem bleiben.
19 Kommentare verfügbar
Müller
am 05.04.2016Warum schon wieder diese persönlichen Angriffe?
Ich habe geschrieben, dass die Luft in Stuttgart die letzten Jahre besser wurde. Nicht wegen sondern trotz S21. Die besten Werte seit Erhebung haben wir tatsächlich seit S21 gebaut wird. Das ist Fakt. Und das war mir ein Späßle wert.
Zu…