Garstig ist es draußen auf dem Schlossplatz, Windböen wehen den späten Samstagseinkäufern Regenfetzen ins Gesicht, doch drinnen im Westflügel des Neuen Schlosses regieren Geselligkeit und Feierlaune. Rund 250 Gäste, viele hohe und ehemals hohe Tiere aus Wirtschaft, Politik und Kultur des Landes, trudeln nach und nach im sterilen Foyer unter dem prunkvollen Weißen Saal ein, greifen sich Häpp- und Sektchen, schütteln Hände, klopfen Schultern.
Rezzo Schlauch unterhält sich angeregt mit dem ehemaligen Boxer Luan Krasniqi aus Rottweil, der den Grünen-Koloss tatsächlich noch überragt, Chorleiter Gotthilf Fischers schlohweißer Schopf scheint gelegentlich aus der Menge, der ehemalige LBBW-Chef und jetzige Herrenknecht-Aufsichtsratsvorsitzende Hans-Jörg Vetter trägt eine lustige Goldfisch-Krawatte spazieren, und plötzlich bahnt sich eine gewaltige Nase den Weg durchs Gedränge – Ex-Ministerpräsident und EU-Kommissar Günther Oettinger, unzählige Hände schüttelnd. Doch da, fast unauffällig schiebt sich ein eher kleiner Herr mit deutlich größerer und jüngerer Gattin herein, ist es nicht?, doch!, es ist Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder mit seiner mittlerweile fünften Gattin Soyeon Schröder-Kim, sie ganz in Rot, der letzte Superstar der Roten in Dunkelgrau und blauer Krawatte, älter geworden, doch die Körperspannung und das raumgreifende Lächeln wie einst im rot-grünen Mai.
Schröders Leibspeise Currywurst gibt's nicht. Dafür Gurkenschiffchen, Kanapees und Spieße mit Maultaschenscheiben und Rotweinzwiebeln, doch Schröders Laune tut das keinen Abbruch. Schlauch, den Koalitionsweggefährten von einst, hat er schnell entdeckt, Knuffen und Lachen, Oettinger kommt grinsend dazu, Ex-Bahnchef Rüdiger Grube steht auf einmal dabei, grinst auch breit. Tunnelbauer Martin Herrenknecht, dessen Maschinen die Stuttgart-21-Tunnel fräsen und auch schon für Olympia im russischen Sotschi gebohrt haben, plaudert angeregt mit Schröder.
Herrenknecht, der im badischen Schwanau die größten Tunnelbohrmaschinen der Welt herstellt, ist der Spiritus Rector des heutigen Abends. Und der ist dem wohl größten Schwaben der Welt gewidmet: Lothar Späth, dem ehemaligen Herrenknecht-Aufsichtsratsvorsitzenden (1998 bis 2012), Jenoptik-Chef (1991 bis 2003) und baden-württembergischen Ministerpräsidenten (1978 bis 1991). Der 2016 Verstorbene sei ein "Voranschreiter" gewesen, ein "großartiger Mensch, Politiker und Wirtschaftskapitän", deshalb hat Herrenknecht ihm zu Ehren einen Preis ins Leben gerufen, der "herausragende Innovationen in Wissenschaft und Wirtschaft" auszeichnen soll.
Preisgeld in Höhe einer mittleren Parteispende
Den Lothar-Späth-Förderpreis gibt's schon (Förderung von Künstlern mit geistiger Behinderung), deshalb trägt Herrenknechts Preis den voranschreitend klingenden Namen "Lothar Späth Award" – exklusiv nur für Firmen aus Baden-Württemberg und Thüringen, wo Späth politisch und wirtschaftlich wirkte. Preisgeld gibt's auch, 40 000 Euro werden verteilt – ein eher mickriger Betrag, der für Herrenknecht früher eine mittlere Parteispende dargestellt hätte. (2009 spendete das CDU-Mitglied seiner Partei 70 000 Euro, 30 000 gingen auch an die SPD, was damals <link https: www.kontextwochenzeitung.de politik geld-macht-partei-1812.html _blank internal-link>oft mit S 21 in Verbindung gebracht wurde).
Schröder und Oettinger sitzen in der zehnköpfigen Preis-Jury – unter anderem neben Späths Tochter Daniela Späth-Zöllner. Im Gegensatz zu Schröders besserer Hälfte ist Oettingers Lebensgefährtin Friederike Beyer an diesem Abend nur selten an der Seite ihres Herzblatts zu sehen. Stattdessen läuft sie hochkonzentriert und mit Ablaufplan durch die Gegend, denn ihre Firma Beyer PR Event organisiert die Veranstaltung. Kurze Wege helfen beim Voranschreiten.
Preisverleihung ist im Weißen Saal, oben. Doch ehe die Gewinner bekannt gegeben werden, müssen die Nominierten noch vier Reden über sich ergehen lassen. Den Huldigungsreigen für Späth eröffnet Landeswissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) – die einzige Regierungsvertreterin an diesem Abend –, die Späth als einen "Macher" rühmt, der erkannt habe, "dass Innovationen der Schlüssel für die Zukunft eines Landes sind", und dass diese nur gelingen, "wenn sich Wirtschaft und Wissenschaft als Partner auf Augenhöhe sehen." Martin Herrenknecht legt mit noch mehr Sätzen fürs Poesiealbum der Unternehmens-PR nach: "Man kann, was man will", das sei immer Lothar Späths Credo gewesen, bringe seinen Wesenskern auf den Punkt. Mit dem Preis wolle man nun ein leuchtendes Beispiel setzen für seinen "Schpirit".
5 Kommentare verfügbar
Waldemar Grytz
am 17.12.2018"Remember, remember, 5th of November" mag man da denken (wenn´s nicht verboten wäre), eine Stinkbomber hätte es auch getan.