Herrenknecht, professionell eher dem Bohren in die Tiefe verpflichtet, erklimmt mit seiner Eloge solche Höhen des schwärmerischen Pathos', das sich sein Nachredner Schröder zur Bemerkung verpflichtet sieht: "Wir müssen aufpassen, dass wir bei dieser schönen Veranstaltung nicht in Würde erstarren." Der Altkanzler, das muss man ihm lassen, ist nach wie vor eine lässige Rampensau, die weiß, wie man die Zuhörer vorm Wegnicken bewahrt. Angesichts der von Bauer beschworenen Partnerschaft von Wissenschaft und Wirtschaft fragt er: "Was habt ihr Baden-Württemberger eigentlich mit den Grünen gemacht?", ehe er ein paar wohltemperierte Anekdoten über seine persönlichen Erfahrungen mit Späth Anfang der Neunziger folgen lässt, die sich grob mit "schlitzohrig, aber fair und stets offen" zusammenfassen lassen. Ganz am Schluss drängt sich dann doch noch die Gegenwart, genauer: der aktuelle CDU-Parteitag hinein. "Wenn Sie mir diese kleine Bosheit gestatten", sagt Schröder: "Was würde mein Freund Lothar Späth über die Entscheidung des CDU-Parteitags sagen?" Abgang, kräftiger Applaus, Lacher im Saal.
Im Nationenverspotten ist Oettinger ein alter Fuchs
Oettinger, im Anschluss dran, nimmt Schröders Ball gerne auf: "Was Lothar Späth zur Wahl gesagt hätte, wissen wir nicht. Genauso wenig, wie wir wissen, was Helmut Schmidt zur heutigen SPD gesagt hätte." Lautes Lachen und Zwischenapplaus, vermutlich hat Herrenknecht besonders laut geklatscht – denn er hat gleich nach der Wahl Annegret Kramp-Karrenbauers zur CDU-Vorsitzenden angekündigt, seine CDU-Mitgliedschaft ruhen zu lassen. Dass Oettinger Friedrich Merz zugeneigt war, ist kein Geheimnis, einige seiner folgenden Äußerungen bleiben dagegen rätselhaft. Aber vielleicht liegt es auch daran, dass die mittelmäßige Akustik des Weißen Saals mit dem berüchtigten Maschinengewehr-Stakkato des EU-Kommissars bisweilen eine unheilige Allianz eingeht.
Es geht ja um Innovationen, da ist man schnell in den USA, die das Silicon Valley haben, aber auch "einen dominanten Präsidenten, der nicht alles falsch macht". Ähm, zum Beispiel? Keine Zeit, weitergehaspelt. Stolz könne man in Baden-Württemberg über die Wertschöpfung aus der Wissenschaft sein, 4,3 Prozent, im Gegensatz zu drei Prozent deutschlandweit und, "das sage ich besonders gerne: Italien, ein Prozent". Die ersten Schenkel werden geklopft. In der Disziplin Nationenverspotten ist Oettinger bekanntlich ein alter Fuchs. Dann geht's um Späth.
Handkuss und Blumen. Ganz alte Schule
Seinen Vorvorgänger im MP-Sessel habe er eigentlich erst nach dessen Ausscheiden aus der Politik kennengelernt, erzählt der Ditzinger. Er habe sich mit Späth Jena angeschaut und abends noch das ein oder andere Viertele geschlotzt. "Erst Trollinger, dann Trollinger-Lemberger, dann Lemberger-Trollinger." Später habe Späth Bordeaux bevorzugt, "das sei ihm verziehen." Trink-Witze, sichere Bank. Fahrig pflügt Oettinger durch weitere Anekdoten und die Gästeliste des Abends, ehe der Mann, der sich selbst immer eine Silbe voraus ist, Späth zum Abschluss attestiert: "Er war immer einen Schritt voraus." Oder hat er "zwei Schritte" gesagt? Egal, schon spielt das Stuttgarter Kammerorchester Edward Elgars "Salut d'amour op. 12", und am Schluss kommt Oettinger noch einmal zurück, verteilt Blumen und Handküsse (an die Musikerinnen) und ein Weinpräsent (an den Musiker). Ganz alte Schule.
Nach einer Dreiviertelstunde sind endlich die Preisträger dran. Den ersten Preis bekommt die Ineratec GmbH aus Karlsruhe, die chemische Kompaktanalagen in Schiffscontainer-Größe herstellt, den zweiten die Nanopta GmbH aus Lonsee im Alb-Donau-Kreis, die neuartige Antireflexionsbeschichtungen erfunden hat, den dritten die Active Fiber Systems GmbH aus Jena, die besonders leistungsfähige Ultrakurzpulslaser herstellt. Sieger Ineratec hat bereits 25 Mitarbeiter und einen Umsatz von drei Millionen Euro im Jahr, ob ihm die 25 000 Euro Preisgeld viel mehr bedeuten als einen Aufmerksamkeitsschub, sei dahingestellt. Aber vielleicht geht es ja auch gar nicht darum.
Am Ende ist im Foyer "Get together und Walking Dinner". Das warme Büffet ist gediegen-regional, Currywurst und Bier gibt's immer noch nicht, aber Schröder scheint sich auch mit einem Weißwein pudelwohl zu fühlen, die Mundwinkel sinken selten unter die Horizontale. Wo man überall so hinkommt als Ex-Kanzler, schon 'ne dolle Sache. Herrenknecht wirkt aufgekratzter und beseelter, unterhält sich lange mit dem früheren Bahnchef Rüdiger Grube, der seit einigen Monaten für ihn als Berater arbeitet und heute besonders viele Hände schüttelt.
Ein wenig verloren wirkt in dieser gelösten Klassentreffen-Atmosphäre der Kabarettist Matthias Richling. Ob die Veranstaltung denn Satirepotenzial für ihn habe? Richling bittet in gespielter Entrüstung, den schönen Abend doch nicht kaputt zu machen, und antwortet salomonisch: "Es ist doch auffällig zu sehen, wer wen kennt, und wer sich wichtig nimmt."
5 Kommentare verfügbar
Waldemar Grytz
am 17.12.2018"Remember, remember, 5th of November" mag man da denken (wenn´s nicht verboten wäre), eine Stinkbomber hätte es auch getan.
Karl Krützmann
am 14.12.2018Gunther Bauer
am 16.12.2018Kornelia .
am 13.12.2018Vll in Rambo Herrenberg s Zentrale?
An den Taten sollte.... auch daran kann man sehen was von Grün zu halten ist: das Schloß ist immer noch ein Ort der Reichen und Mächtigen und ihrer Günstlinge!
Gisela Heinzmann
am 12.12.2018"Voranschreiter" Späths Chinapolitik hat schon damals Früchte getragen: Während der deutsche Export nach China zwischen 1981 und 1984 insgesamt um knapp dreißig Prozent zunahm, wuchsen die Lieferungen aus dem Ländle um rund dreihundert Prozent.
Bei der Preisverleihung amüsieren sich einige der Initiatoren und Profiteure der Gelddruckmaschine S 21 auf einem Haufen. Haben sie eigentlich auf immer und ewig zu lachen? Für das "ewig" zumindest hat Herrenknecht schon mal mit der Finanzierung einer halben Pfarrstelle in seiner Heimat vorgesorgt.