KONTEXT:Wochenzeitung
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Stramm gegen den Wind

Stramm gegen den Wind
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Im idyllischen Münstertal im Schwarzwald wird mit Haken und Ösen gegen die Windkraft gekämpft. In der Region sitzen ein Tunnelbauer, ein russischer Honorarkonsul und ein Ex-Stasi-Offizier. Die setzen eher auf Atom und Öl.

Für Martin Herrenknecht ist es der pure Wahnsinn, der sich derzeit im Schwarzwald abspielt: "Planlose Akteure verunstalten unser einmaliges Landschaftsbild, unsere schöne badische Heimat", klagte der Unternehmer jüngst in einer großformatigen Anzeige in der "Badischen Zeitung". Und der Chef der Schwanauer Herrenknecht AG, Weltmarktführer für Tunnelbohrmaschinen, erklärte den Lesern auch, was schuld ist am Übel: "Windräder, die wie Pilze aus dem Waldboden sprießen". Auf Anfrage von Kontext ließ Herrenknecht wissen, er habe mit seiner Anzeige auf den "Irrsinn" inflationärer Windkraft-Ansiedlung im Schwarzwald hinweisen wollen. Jedem Bürger und jeder Bürgerin sei aber freigestellt, "dazu einen Standpunkt zu beziehen".

Folgt man dem Anzeigentext, sieht man zwischen Offenburg und Kenzingen vor lauter Windrädern bald keinen Wald mehr. Und das, obwohl sich auf den Anhöhen angeblich mangels Wind nichts dreht. "Geht es hier also rein um Steuervorteile von Investoren? Auf Kosten unseres einzigartigen Schwarzwalds?", fragt Herrenknecht.

Herrenknecht bohrt auch für die Atomindustrie

Was die Anzeige nicht verrät: Herrenknecht fürchtet sich nicht vor einer weit gefährlicheren Energieform. So gräbt das CDU-Mitglied nicht nur Straßen- und Bahntunnels, wie etwa bei Stuttgart 21. Er bohrt auch für die Atomindustrie: Beim französischen Druckwasserreaktor Flamanville 3 realisierte er einen 807 Meter langen Abwasserkanal. Mit von der Partie ist Herrenknecht auch im geplanten französischen Endlager Bure, wo nur 200 Kilometer von der saarländischen Grenze entfernt hochradioaktiver Atommüll eine Million Jahre überstehen soll. Auch beim britischen AKW-Neubau Hinkley Point C dürfte Herrenknecht bohren. Noch bis zum 4. Dezember, dem Jahrestag der Heiligen Barbara, Schutzpatronin der Bergleute, können Schüler aus Summerset Frauennamen für eine Tunnelbohrmaschine vorschlagen.

Rund eine Autostunde rheinaufwärts von Herrenknechts Firmenzentrale steht auf der französischen Seite der pannenanfällige Uraltreaktor Fessenheim, dessen Stilllegung hiesige Umweltverbände und Politiker seit langem fordern. Sollte es zum GAU kommen, würden Freiburg und weite Teile des Schwarzwalds radioaktiv verseucht. Dem Tunnelpatron scheint die Windkraft freilich gefährlicher zu sein. Nicht von ungefähr schaltete er seine Anzeige kurz vor der Bundestagswahl in der örtlichen Lokalpresse. Denn in der 5000-Seelen-Gemeinde Münstertal, rund 20 Kilometer südlich von Freiburg, waren die Einwohner am Wahlsonntag auch zur Abstimmung über die Zukunft der Windenergie aufgerufen. Bürgermeister Rüdiger Ahlers und die Gemeinderäte wollten wissen, ob die Bürger noch immer hinter der klimaschonenden Energieform stehen.

Bei einer ersten Befragung im März 2011, kurz nach der Katastrophe von Fukushima, waren 80 Prozent der Münstertaler mit der Errichtung von Windrädern auf ihrem Gemeindegebiet einverstanden. Knapp 75 Prozent stimmten auch für ein Windvorranggebiet auf dem Breitnauer Kopf. Auf der 1121 Meter hohen Erhebung will die rund 50-köpfige Bürgergenossenschaft Windenergie Münstertal mit zwei Windkraftanlagen (WKAs) sauberen Strom erzeugen.

Doch inzwischen hat sich der Wind gedreht. Bei der aktuellen Befragung wollen nur noch 52 Prozent der Wähler Windmühlen auf den Anhöhen. Der erneut zur Abstimmung gestellte Breitnauer Kopf sowie die zusätzlich ausgewählte Bergkuppe Hörnle fielen als WKA-Standorte durch. Nur 46,4 Prozent der Wähler sagten ja zu den Bürgerenergieprojekten, 53,6 Prozent votierten dagegen. Aufatmen konnte nur der landeseigene Energieversorger EnBW, der drei Anlagen an der Gemarkungsgrenze zur Nachbargemeinde Ehrenkirchen plant.

Seltsam: Der scheue Auerhahn frisst aus der Hand

"Wir hatten früh mit Widerstand zu kämpfen", berichtet Alexander Hakenjos, der Geschäftsführer der Münstertaler Energiegenossenschaft. So gibt es seit langem Gegenwind aus der Nachbargemeinde Staufen, die durch Häuserhebungen infolge einer Geothermiebohrung bekannt wurde. Deren Bürgermeister Michael Benitz droht mit Klage, falls die Rotoren genehmigt würden. Aus Sicht der Staufener gefährden die Betonfundamente der WKAs Wasserquellen, die am Breitnauer Kopf entspringen. Hydrogeologen bewerten dies als unwahrscheinlich. Fließversuche lehnten die Stadtwerke Staufen stets ab.

Eindruck gemacht haben offenbar auch die Aktionen der Windkraftgegner, die zuweilen skurrile Formen annahmen. Im Oktober 2013 tauchte ein Auerhahn am Breitnauer Kopf auf. Ein Vorkommen des vom Aussterben bedrohten Vogels gilt als K.o.-Kriterium für potenzielle Windkraftstandorte. Nur: Das gewöhnlich scheue Federvieh erwies sich als zutraulich und fraß Spaziergängern aus der Hand. DNA-Analysen ergaben, dass der junge Hahn aus einer österreichischen Zucht stammte und wohl am geplanten WKA-Standort ausgesetzt worden war.

Wirkung zeigten wohl auch die Kampagnen der Bürgerinitiative Münstertal-Belchenland im Vorfeld der Bürgerbefragung. Unter dem Motto "Magische Landschaft in Gefahr" zeichnete sie auf Großplakaten das Schreckgespenst einer rücksichtslosen, profitgierigen "Windkraftindustrie". Auf Veranstaltungen schürten Referenten die Angst vor angeblichen Gesundheitsschäden durch Infraschall. Im Internet behauptete sie, die Rotoren schützten weder das Klima noch arbeiteten sie wirtschaftlich. "Alles, was wir Atomkraftwerken anlasten, wird einfach umgedreht und auf Windräder projiziert", erzählt Ralf Schumann, der ebenfalls der Energiegenossenschaft angehört.

Mit der Wahrheit nähmen es die Gegner nicht so genau, sagt Gerhard Kienzler vom Planungsbüro Windkraft Schonach. "Mit 15 bis 18 Windanlagen in Münstertal zu drohen, ist unseriös", kritisiert er. Realistisch sei der Bau von sieben bis acht Anlagen, und dies in einem weitaus größeren Gebiet, das auch die Nachbargemeinden Wieden und Ehrenkirchen umfasst. Kienzler wies den Gegnern auch Manipulationen bei Visualisierungen nach. So wurden zu kleine Brennweiten verwendet und zu leistungsstarke Anlagentypen ins Bild kopiert. Beides lässt die Windmühlen auf der Fotomontage <link http: wks-energy.com aktuelles _blank external-link>größer und bedrohlicher aussehen.

Und immer wieder fällt der Name von Konsul Mangold

Wie viele der Anti-Windkraft-Vereine in Südbaden firmieren auch die Münstertaler Gegner unter einer Adresse im 50 Kilometer entfernten St. Märgen, wo eine überregional agierende "Bürgerinitiative zum Schutz des Hochschwarzwalds" ihren Sitz hat. Und in diesem Zusammenhang fällt immer wieder der Name von Klaus Mangold. Der in Münstertal lebende Ex-Daimler-Vorstand, frühere Vorsitzende des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft und derzeitige russische Honorarkonsul im Ländle hatte sich vor der Bürgerbefragung 2011 öffentlich kritisch gegen Windkraft geäußert. Vor der jüngsten Abstimmung kochte die lokale Gerüchteküche erneut hoch. Ein Bürger warf während der offiziellen Infoveranstaltung Mangold vor, die Kampagne zu finanzieren, um Unfrieden zu stiften. Näher erläutert hatte er den Vorwurf freilich nicht.

Eine Unterstellung, die Folgen hatte für die "Badische Zeitung", die diese in ihrer Berichterstattung wörtlich zitierte. Nach Kontext-Informationen wurden Rechtsanwälte vorstellig, was die Redaktion zu einem bemerkenswerten Schritt veranlasste: "In der 'Badischen Zeitung' wurde diese Frage unkommentiert und ohne Rückfrage bei Herrn Mangold wiedergegeben. Das war ein grober Verstoß gegen die journalistische Sorgfaltspflicht", zeigte man sich wenige Ausgaben später in einem "Wir über uns" schuldbewusst. Und weiter: "Prof. Dr. Klaus Mangold, der seit Jahrzehnten im Münstertal wohnt, erklärt ausdrücklich, dass er sich in diesem Streit unter den Bürgern der Gemeinde bewusst nicht eingemischt, also nicht für die eine oder andere Meinung Position bezogen und auch kein Geld in irgendeine Aktion gesteckt habe." Man bedaure den Fehler sehr, so die Redaktion.

Relativ glimpflich kam der Fragesteller selbst davon. Per Einschreiben mit Rückschein verzichtete Mangold "auf eine mögliche rechtliche Auseinandersetzung". Er erwarte aber eine Entschuldigung. "Sie haben ja keine Frage gestellt, sondern etwas behauptet, das unterstellt hat, dass finanzielle Leistungen durch mich – an wen auch immer – erfolgt sind", heißt es in dem Brief.

Im Münstertal wird auch noch auf Mangolds 700 Hektar großes Jagdrevier verwiesen, in dem er seit 1984 auf Reh-, Schwarz-, Gams- und Raubwild zielt. Es liegt in der Nähe des WKA-Standorts. "Nicht leicht zu bejagen. Alleine 600 Höhenmeter müssen vom tiefsten bis zum höchsten Punkt überwunden werden. Aber traumhaft schön mit Fernblicken auf die Vogesen und das Rheintal", beschreibt der Manager in der "Deutschen Jagdzeitung" sein Revier, dass er in seiner Freizeit so oft es gehe aufsuche.

Am Ende kennen alle Gerhard Schröder

Zeit ist für den Top-Manager im Ruhestand noch immer ein kostbares Gut. Der 75-Jährige betreibt eine Beratungsfirma, die in Osteuropa auch im Atomsektor aktiv ist. Vater Klaus und Sohn Christoph Mangold finden sich auf Teilnehmerlisten der Atomexpo Moskau, einer jährlich von der staatlichen Atomagentur Rosatom organisierten Messe der russischen Nuklearindustrie. Schlagzeilen machte im Mai 2016 ein Flug von EU-Kommissar Günther Oettinger im Jet Mangolds nach Budapest, wo man sich mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán traf. Der Lift sorgte für Spekulationen, dass es bei dem Treffen um grünes Licht der EU für das <link https: www.theguardian.com world aug russia-putin-german-right-hand-man-matthias-warnig _blank external-link>ungarische Atomprojekt Paks II ging.

Auf Anfragen von Kontext antwortet Mangold nicht. Das gilt auch für eine weitere schillernde Gestalt, die mit dem Widerstand von Staufen gegen den Windpark Breitnauer Kopf in Verbindung gebracht wird: Matthias Warnig, Ex-Stasi-Offizier, Ex-Banker und nach Recherchen des britischen "Guardian" enger Freund und rechte Hand von Wladimir Putin. 

Aktuell ist der Wahl-Staufer stellvertretender Aufsichtsratschef beim russischen Ölriesen Rosneft, der hierzulande an Raffinerien in Schwedt, Ingolstadt und Karlsruhe beteiligt ist. Zudem sitzt er in den Kontrollgremien von Transneft (Pipelinegesellschaft), Rusal (zweitgrößter Aluminiumproduzent weltweit), der Gazprom Schweiz AG (Rohstoffe), Nord Stream 2 (geplante Ostseepipeline) und der staatlichen russischen Außenhandelsbank Vneshtorgbank VTB. Bei Rosneft trifft Warnig seit kurzem auf eine weiteren Deutschen: Gerhard Schröder. Ende September ließ sich der 73-jährige Altkanzler, aller Kritik zum Trotz, zum Vorsitzenden des Gremiums wählen. Im Aufsichtsrat bei Herrenknecht sitzt der Genosse der Bosse schon länger.


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11 Kommentare verfügbar

  • Silvia Wedel
    am 30.10.2017
    Antworten
    Dieser Bericht ist eine Unverschämtheit. Grüne Ideologie ohne naturwissenschaftliches Wissen hat noch nie die gewünschte Leistung erbracht. Diese Energielobby prescht durchs Land und ist die größte Umweltzerstörung in diesem Jahrhundert.
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