Zum Stichtag 30. November drehten sich im Land 429 Rotoren mit einer installierten Leistung von 652 Megawatt. Im selben Zeitraum erteilten die Behörden 87 Baugenehmigungen für weitere Rotoren, im gesamten Vorjahr bekamen 94 Bauanträge grünes Licht. Der Zubautrend wird anhalten: Bis zum Jahresende werden Projektierer rund 170 Bauanträge für Windenergieanlagen (WEA) eingereicht haben, im Vorjahr lag diese Zahl noch bei 157.
Die aktuellen Daten sieht Umweltminister Franz Untersteller als Beleg, dass "die von uns in die Wege geleiteten Maßnahmen greifen und der Ausbau der Windenergie im Land in Fahrt gekommen ist." Nach der Landtagswahl 2011 kassierte Grün-Rot die Restriktionen der Vorgängerregierungen, formulierte ein neues Landesplanungsgesetz, gab einen Windenergieerlass heraus und sorgte für die Erhebung des Artenbestands. Bis zum Jahr 2020 sollen zehn Prozent des im Land erzeugten Stroms aus Windkraft kommen. Hierfür ist ein Zubau von rund 3000 Megawatt erforderlich. Doch davon ist man noch ein gutes Stück entfernt: Zwar hat sich unter Grün-Rot die installierte Leistung um 50 Prozent erhöht, absolut sind das aber nur etwa 200 Megawatt. Erneuerbare Energien im Land hatten 2014 einen Anteil von 23,2 Prozent an der Bruttostromerzeugung, der Anteil von Windkraft lag bei 1,1 Prozent.
Die jüngsten Zahlen relativieren sich auch im deutschlandweiten Vergleich. Allein im ersten Halbjahr 2015 wurden bundesweit 443 WEA mit einer Leistung von 1185 Megawatt errichtet. Mit 118 Anlagen mit zusammen 333 Megawatt Leistung gingen die meisten WEA in Schleswig-Holstein in Betrieb. Da zeitgleich bundesweit 158 WEA mit einer Leistung von 92 Megawatt abgebaut wurden, beträgt der Netto-Zubau 1093 Megawatt beziehungsweise 285 Anlagen.
Nichtsdestoweniger weht noch immer zu viel Gegenwind im Ländle, sagen die Projektentwickler. Planungszeiträume von bis zu fünf Jahren verlangten einen langen Atem, den vor allem die Bürgerenergiegenossenschaften, die bislang die Energiewende im Stromsektor vorantrieben, nicht haben. Natur- und Artenschutz sorge in Baden-Württemberg noch für zu hohe Hürden. "Unser Artenschutzgutachten ist inzwischen auf über 1000 Seiten angewachsen", sagt ein Planer eines Repowering-Projekts auf dem Karlsruher Energieberg. Auf der ehemaligen Mülldeponie will er zwei ältere Rotoren durch leistungsfähigere Anlagen ersetzen.
Zudem blockieren vielerorts Windkraftgegner die Ausbaupläne. Gegen einen Windpark in der Schwarzwaldgemeinde Straubenhardt gingen so viele Einwendungen ein, dass das Landratsamt Enzkreis deren Erörterung nicht wie geplant innerhalb von zwei Tagen vor Weihnachten abschließen konnte. Die Behörde musste weitere Erörterungstermine im Januar ansetzen. "Dass Windkraftanlagen das Landschaftsbild verändern, lässt sich nicht abstreiten. Doch wir sollten das Angebot der Natur, Energie klimaschonend und umweltverträglich zu gewinnen, auch nutzen", sagt Walter Witzel vom Landesverband Windenergie.
Ob Baden-Württemberg die rote Laterne bei Windkraft abgibt oder behält, entscheidet auch die Landtagswahl im kommenden März. Vor dem Hintergrund des Pariser Weltklimagipfels, der das Ende des fossilen Energiezeitalters festschreibt und den massiven Ausbau auch der Windenergie weltweit verlangt, lesen sich die Wahlaussagen der hiesigen Parteien aufschlussreich.
Die Grünen betonen, am Ausbauziel von zehn Prozent Windstrom festhalten zu wollen, "immer sorgfältig abgewogen zwischen Natur-, Arten- und Landschaftsschutz einerseits und den Anforderungen der Energiewende andererseits". Einer grundsätzlichen Ablehnung von WEA werde sich die Öko-Partei "genauso entgegenstellen wie einer Aushöhlung des Natur- und Artenschutzes".
Der bisherige Regierungspartner SPD betont ebenfalls die ökologische Energieversorgung. Der Ausbau der erneuerbaren Energien im Land "ist notwendig für den Schutz unseres Klimas und zugleich wirtschaftlich sinnvoll. (...) Das schafft Arbeitsplätze, denn besonders viele Firmen und Zulieferer der Wind- und Solarindustrie haben ihren Sitz in Baden-Württemberg."
Auch die CDU legt ein "klares Bekenntnis zur Energiewende" ab, betont zugleich aber, dass Grün-Rot "allzu einseitig auf die Windenergie gesetzt" habe. In ihrem Wahlprogramm schieben die Christdemokraten Windstrom einen massiven Riegel vor, indem sie "einen Mindestabstand von Windkraftanlagen zur Wohnbebauung auf 1000 Metern einführen wollen".
Die FDP geht noch weiter. Sie will den "Vorsorgeabstand zu Wohngebieten auf 1500 Meter erhöhen, die Verpachtung von Windkraftstandorten im Staatswald durch den Landesbetrieb ForstBW stoppen und das Planungsrecht ändern" - und damit den Zubau neuer WEA faktisch unmöglich machen. Energiewende heißt für die FDP lediglich, auf "technische Innovationen zur effizienten Nutzung von Wärme, Kraftstoffen und Strom" zu setzen.
Damit sind sich die Liberalen mit der AfD einig. Die Rechtspopulisten sehen Windkraft als "ökonomischen und ökologischen Irrsinn", den es sofort zu stoppen gilt. Sie wollen die energiepolitische Zeitenwende anhalten mit einem "zehnjährigen Moratorium, während dessen der gegenwärtige Energiemix beibehalten werden soll".
Die Linke im Bund will eine Überförderung von Windenergie an ertragreichen Standorten in Norddeutschland herunterfahren, gleichzeitig aber die Förderung von windschwachen Standorten im Süden verbessern. Auf Landesebene fordert die Links-Partei ein "sozial-ökologisches Investitionsprogramm", um die Energiewende in Gang zu bringen. Mit Sozialtarifen will sie dafür sorgen, dass "nicht die Ärmsten dafür zahlen".
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Ernst Hallmackeneder
am 04.01.2016