Die Klimawende habe jetzt allerhöchste Priorität, sagt Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Deswegen hat die baden-württembergische Landesregierung eine Task Force eingesetzt, die die zeitliche Spanne beim Bau von Windkraftanlagen halbieren soll. Was keine schlechte Idee ist, denn bisher dauerte es teilweise bis zu zehn Jahren, bis die Anlagen endlich standen. Es sollen also Verwaltungsprozesse beschleunigt und Antragsverfahren erleichtert werden.
Schön und gut. Doch da hört es nicht auf. Zusätzlich, so die freie Interpretation der momentan zu hörenden Aussagen, wäre es an der Zeit, den Wildwuchs der direkten Demokratie in den Griff zu bekommen. Ja, so funktioniert Politik nun mal. Wenn etwas nicht so toll läuft, muss erst mal ein Schuldiger her. Bei der Energiewende sollen das jetzt die Bürgerentscheide sein. "Es kann nicht sein, dass das wichtige Ziel der Energiewende an kleinen Bürgergruppen vor Ort scheitert", lautet die Analyse. Und um den Fingerzeig empörungswirksam zu unterstützen, müssen zwei Bürgerentscheide herhalten, die mit Windkraft erst mal gar nichts zu tun haben.
In Dettingen hatten die Bürgerinnen und Bürger kürzlich mehrheitlich gegen die Ausweisung eines neuen Gewerbegebietes gestimmt. Wofür das Gewerbegebiet genau geplant war, nämlich wahrscheinlich zur Ansiedlung einer Batteriefabrik von Daimler, wurde im Vorfeld nicht wirklich kommuniziert. Dennoch zeige diese Abstimmung, was nicht sein darf: nämlich dass Bürgerinnen und Bürger aus Dettingen es sich herausnehmen, über die Transformationsmöglichkeiten der baden-württembergischen Wirtschaft hin zum nachhaltigen Industriestandort zu entscheiden. Ein weiterer Bürgerentscheid hatte in Tübingen über eine neue Straßenbahnlinie stattgefunden, auch dieses Projekt scheiterte an der Abstimmungsurne.
Nicht Bremsklotz, sondern Motor der Energiewende
Das diese beiden Fälle angeführt werden, anstatt die Bürgerbegehren und Entscheide, die tatsächlich zur Wind- und Solarenergie stattgefunden haben, führt zu einem größeren Motiv, auf das ich gleich noch eingehe. An dieser Stelle ist es wichtig, das Verpasste nachzuholen und erst einmal die tatsächlichen Zahlen zum Thema zur Kenntnis zu nehmen. In den letzten drei Jahren hat es in den 1.101 Gemeinden Baden-Württembergs sieben Bürgerentscheide zur Wind- und Solarkraft gegeben. In vier dieser Entscheide hat sich die Bevölkerung für den Bau der Anlagen entschieden. In genau einem Fall wurden zwei Windräder als Folge eines Bürgerbegehrens gegen die Anlagen abgelehnt. Und in den zwei weiteren Fällen waren es Bürgerinitiativen, die ein Bürgerbegehren für einen Solarpark gestartet hatten, die Mehrheit im Gemeinderat hat sich dann jedoch dagegen positioniert und dieser Mehrheit sind die Menschen dann auch in der Abstimmung gefolgt.
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Des Illusionierter
am 13.12.2021