Mangold ging es angeblich auch nicht nur um "Wirtschaft, Wirtschaft, Wirtschaft", wie der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyi während seiner Bundestagsrede Mitte März kritisierte. "Darüber hinaus hat sich Professor Mangold beispielsweise immer wieder auch für Kirill Semjonowitsch Serebrennikow eingesetzt", ergänzt sein Sprecher, womit es auch um Menschenrechte gegangen sei. Im Juni 2020 war der Starregisseur wegen angeblicher Unterschlagung öffentlicher Gelder zu einer dreijährigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Der regierungskritische Kulturschaffende, der offenbar mundtot gemacht werden sollte, konnte im Januar nach Deutschland ausreisen.
Fakt bleibt, dass Mangold einer war, der die deutsche und russische Wirtschaft verwob. Nicht zuletzt als "Head" von "Mangold Consulting" im Münstertal verhalf er hiesigen Unternehmen lukrative Geschäfte in Russland anzubahnen sowie in Usbekistan und Kasachstan. Mit der heiklen Folge, zumindest indirekt selbst im Ukraine-Feldzug Putins involviert zu sein. Zum einen, weil russische Panzer und Geschütze zur Front mit den Staatsbahnen RZD gelangen, mit denen die von Mangold beaufsichtigte Knorr-Bremse lange gute Geschäfte machte. Ein Jahr vor der russischen Annexion der Krim im März 2014 hatte der Münchner Konzern mit der Föderalen Güterwagengesellschaft FGK, einer RZD-Tochter, das Joint Venture für die Produktion von Bremstechnik gegründet. "Das war vor der Amtszeit von Professor Mangold", betont sein Sprecher.
Mangolds Knorr-Bremse fährt immer mit
Das stimmt, Mangold ist erst seit 2018 Chefaufseher des Konzerns. Doch auch unter "Mr. Russland" weitete Knorr-Bremse sein Engagement in Putins Reich aus, und das trotz der Wirtschaftssanktionen wegen der Krim-Annexion. Noch im April 2020 gab das Unternehmen bekannt, Brems- und Klimasysteme für 13 neue Sapsan-Hochgeschwindigkeitszüge zu liefern. Zwei Monate darauf schlossen die Münchner eine Partnerschaft zur Konstruktion der nächsten Sapsan-Generation ab, die zwischen Moskau und Sankt Petersburg verkehren. Zudem erweiterte Knorr-Bremse im selben Jahr seine Produktion in Russland.
Noch länger ist die LKW-Sparte der Münchner vor Ort. Bereits im Jahr 2008 gründete sie ein Joint-Venture mit dem größten russischen LKW-Hersteller Kamaz. Aus dessen Werk rollen derzeit auch Militärfahrzeuge in die Ukraine, etwa gepanzerte Truppentransporter vom Typ KamAZ-63968. In den sozialen Medien kursieren Aufnahmen, die den "Taifun" im Kriegsgebiet zeigen.
"Den 16 Soldaten im Innern der rollenden 'Kampfmaschinen' können weder Minen, Sprengfallen noch direkter Beschuss mit Handwaffen gefährlich werden. Frauen, Kinder, überhaupt alle Zivilisten, denen ein solches Fahrzeug in Kiew, Charkiv oder anderen Städten der überfallenen Ukraine in die Quere kommt, sind den Aggressoren hilflos ausgeliefert", schreibt das Magazin "Mobilitätsmanager" über den 20-Tonner, von dem die russische Armee rund 330 Einheiten besitzt.
Der Vollständigkeit halber: Neben Knorr-Bremse arbeiten auch die baden-württembergischen Unternehmen ZF Friedrichshafen und Liebherr mit Kamaz. Der Stuttgarter Lastwagenhersteller Daimler Truck hält sogar 15 Prozent an der Firma. Mitte März warf der ukrainische Außenminister Dmitro Kuleba auch Bosch eine "groß angelegte Zusammenarbeit mit Russland in der Verteidigung" vor. In erbeuteten Infanteriefahrzeugen hatten die Ukrainer Antriebskomponenten des schwäbischen Zulieferers gefunden. Bosch bestritt die Vorwürfe. Am 8. März gab Knorr-Bremse wie die anderen Unternehmen auch den Rückzug aus Russland bekannt.
Luxusyachten gehören auch zum Portfolio
Recherchen ergeben Hinweise auf weitere Verbindungen des einstigen Honorarkonsuls mit Russlands Elite. Von 2013 bis 2020 saß Mangold im Beratungsgremium der Bremer Lürssen Maritime Beteiligungen GmbH & Co. KG. Die in dieser Zeit in deutschen Lürssen-Werften gebauten Luxusyachten gingen auch an russische Kunden. Etwa die 2019 vom Stapel gelaufene "Scheherazade". Die mit 140 Meter Länge und einem Schätzwert von rund 700 Millionen Dollar eine der größten und teuersten Yachten der Welt wurde vor wenigen Tagen in einem toskanischen Hafen beschlagnahmt. Italienischen Medien zufolge ist Eduard Chudainatow, Ex-Chef des russischen Staatskonzerns Rosneft, als Besitzer eingetragen. Der Erdölmanager wird auch als Eigentümer der Superyacht "Amadea" angeführt, die auf Fidschi beschlagnahmt wurde. Als wahrer Eigentümer der "Scheherazade" wird aber immer wieder Putin genannt.
2016 lieferte Lürssen die 156 Meter lange Superyacht "Dilbar" aus, die mit einem 25-Meter-Pool das größte Planschbecken auf einer Yacht auf den Meeren spazieren fährt. Lange konnte sich der Besitzer des 800 Millionen-Euro-Schiffs hinter Briefkastenfirmen verstecken. Jetzt wird sie Putins Lieblingsoligarchen Alisher Usmanov zugeordnet, der seit 2014 mit seinem geschätzten Vermögen von 17,6 Milliarden US-Dollar auf EU-Sanktionslisten steht.
Half Mangold als Beirat bei Lürssen, um Aufträge von russischen Oligarchen an Land zu ziehen? "Die Vermittlung von Aufträgen ist nicht Gegenstand dieser Beiratsarbeit. Diese unterliegt grundsätzlich der Vertraulichkeit, so dass hierzu keine weiteren Informationen gegeben werden können", erklärt sein Sprecher auf Anfrage. Im Jahr 2020 machten die Lürssen-Werften über 2,1 Milliarden Euro Umsatz.
Auch die sibirische Gas- und Ölindustrie braucht Rat
Nach seinem Ausscheiden bei Lürssen übernahm Mangold ein neues Berateramt, als "Chairman Advisory Board" der Eastsib Holding. Bei dieser Unternehmung, der über ein halbes Dutzend Firmen in der sibirischen Gas- und Ölindustrie gehören, bleiben die Besitzverhältnisse zunächst ebenfalls unklar. Der Internet-Auftritt befindet sich gerade im "Maintenance Mode". Handelsregister offenbaren eine Adresse im zyprischen Nikosia, unter der auch eine 2016 liquidierte Firma in den Panama-Papers auftaucht. In den Tiefen des Internets findet sich der Geschäftsbericht 2020, der den britischen Lord Sir Frederick Matthew Thomas Ponson als Aufsichtsratschef nennt. Weitere Google-Suche führt auf russische Nachrichten-Portale, die über einen großen Korruptions- und Betrugsfall in Moskau berichten, in den auch Agenten und Generäle des russischen Geheimdienstes FSB involviert sein sollen.
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Siskin
am 12.10.2022