Der zur Podiumsdiskussion geladene FDP-Landtagsabgeordnete Daniel Karrais blieb skeptisch. Für den individuellen Arbeitsweg sei selbst in der Stuttgarter Umgebung der ÖPNV "oft nicht so geschickt" und das Auto "deutlich zeiteffizienter". Bei ihm daheim im Kreis Rottweil sei das öffentliche Angebot "in ganz vielen Ortschaften überhaupt keine Option". Jaron Immer gibt so schnell aber nicht auf, wirbt für Ausbau und kostenlose Angebote. Rein theoretisch könnte Karrais dies als gute Idee preisen und sich deshalb über den Kreis Rottweil äußern, der inzwischen einen Nulltarif für sieben Tage und alle Zugezogenen anbietet nach dem Motto "Steigen Sie ein, wir kennen den Weg". Das aber macht der Maschinenbauingenieur nicht, sondern lieber ein neues Fass auf mit dem Hinweis, es fehlten schon jetzt die FahrerInnen für Bus und Bahn. Die Reaktion des FFF-Sprechers zeigt, wie intensiv sich die AktivistInnen in die komplexe Thematik eingearbeitet haben: Die Gewerkschaft Verdi spreche doch regelmäßig die Arbeitsbedingungen an und die Löhne, die höher werden müssten, um auch dem Wirtschaftszweig eine Wertschätzung entgegenzubringen, die der Bedeutung für die Klimawende entspricht. "Wir haben nur noch die letzten acht Jahre", sagt Immer, "um umzusteuern."
In die Hände spielt allen, die endlich auf konsequentes Handeln hoffen, der jüngste Bericht des 1988 gegründete Weltklimarats. Auf 3.000 Seiten fasst der IPCC zusammen, was schnell passieren müsste in der Landwirtschaft, im Verkehr, in der Bauwirtschaft. Noch immer würden fossile Brennstoffe mit 400 Milliarden Euro weltweit unterstützt, Geld, das zum Ausbau der Erneuerbaren fehlt. Ein Beispiel für die Notbremse, die gezogen gehört: Zu viele Regierungen haben sich in Paris zwar zu Einsparungen verpflichtet, wollen aber trotzdem 2030 doppelt so viel fossile Energie verbrauchen, wie sie selber in den Vereinbarungen unterschrieben haben.
Im Mai wird feststehen, wer wie viel einsparen muss
Das grün-regierte Baden-Württemberg will auf keinen Fall zu den NachzüglerInnen gehören. Seit wenigen Tagen präsentiert ist die Weiterentwicklung des Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzeptes (IEKK) zu einem Klima-Maßnahmen-Register (KMR), in dem – wie der Name schon sagt – dann tatsächlich die einzelnen notwendigen Maßnahmen für alle Lebensbereiche transparent zu dokumentieren und fortgeschreiben sind. Noch allerdings muss es mit Leben gefüllt werden. Für den Mai, nach den Veggie-Day-Erfahrungen der Grünen vermutlich erst nach den NRW-Wahlen, kündigt die Umweltministerin neue Zahlen dazu an, wer wieviel von was und bis wann einzusparen hat. Diese sogenannten Sektorenziele haben schon in der vergangenen Legislaturperiode für erheblichen Ärger zwischen Grünen und Schwarzen gesorgt, als letztere über Monate hinweg eine Einigung auf Eckpunkte blockierten. "Wir werden ambitionierte Minderungsziele festschreiben sowie entsprechende Sektorziele festlegen", heißt es diesmal. Bekanntlich hatte die CDU bei den Koalitionsverhandlungen im Frühjahr 2021 erhebliche Zugeständnisse machen müssen, um als Juniorpartner in der Landesregierung bleiben zu dürfen. Gegenwärtig brütet der neu gebildete "Rat der Klimaweisen" über den deutlich schärferen Vorgaben. Im Oktober soll nach Walkers Zeitplan dem Landtag das fertige Gesetz vorgelegt werden. Wie hoch da die Latte liegt, zeigt sich schon im alten Gesetz: Danach soll der Bereich private Haushalte bis 2030 eine Treibhausgasminderung von 57 Prozent gegenüber 1995 erbringen.
Im Koalitionsvertrag ist noch eine Idee vergleichsweise vage verankert, die FFF Baden-Württemberg ab sofort breit angewendet wissen will. "Für neue und fortzuschreibende Wirtschaftsförderungsprogramme prüfen wir, wie ein Klimavorbehalt eingeführt werden kann", schreiben Grüne und CDU. In den Forderungskatalog ist dagegen ein neuer Paragraf 7l aufgenommen, der vorschreibt, dass "für alle Entscheidungen des Landtages, der Landesregierung und ihrer Institutionen ein Biodiversitäts- und Klimavorbehalt eingeführt wird, der die Dringlichkeit der verschiedenen ökologischen Krisen in allen Politikbereichen berücksichtigt". Beschlüsse sollten daran gemessen werden, ob sie die Klimakrise und den Verlust von Biodiversität weiter vorantreiben und ob das Handeln zu einer klimafreundlichen Zukunft beiträgt. Bei negativer Prüfung "muss nach Alternativen gesucht werden, die die Lebensgrundlage für kommende Generationen erhalten".
Auch Walker weiß, dass "uns am meisten hilft, wenn wir die Maßnahmen nicht durchführen, die unseren Zielen schaden". Ob sie sich gemeinsam mit der Grünen-Landtagsfraktion wird durchsetzen können in den Gesprächen mit KoalitionspartnerInnen weiß sie dagegen noch nicht. Immer gibt ihr eine Mahnung mit auf den Weg: Es müsse alles unternommen werden, um möglichst vielen der Anliegen aus den 14 Seiten zu entsprechen, "denn wer jetzt nicht handelt, macht sich mitschuldig". Was keineswegs nur für PolitikerInnen gilt.
3 Kommentare verfügbar
Jue.So Jürgen Sojka
am 14.04.2022Es ist also ein langer Atem angesagt und … Mir wurde gerade gestern Nachmittag die Antwort auf meinen…