2009 bezog die Neuropsychologin Janis Dickinson die TMT-Thesen auf den Umgang mit dem Klimawandel. Dazu formulierte sie drei Kernthesen, wie Mortalitätssalienz und Todesangst sich in abwehrendem Verhalten manifestieren: "(1) Leugnung des Klimawandels, Klimaskepsis. (2) Leugnen der menschlichen Ursachen des Klimawandels. (3) Eine Tendenz, die Auswirkungen kleinzureden oder in eine ferne Zukunft zu projizieren, in der sie keine persönliche Bedrohung mehr darstellen." Ferner bestehe die Gefahr, dass Personen "charismatischen Führungsfiguren", die ihre Ansichten bestätigen, "blind folgen", bei einem "reduziertem Vermögen zu rationaler Kritik". Zudem resultiere daraus "eine Tendenz, seine bestehende Weltsicht auch dann zu bekräftigen, wenn sie nicht tragfähig ist".
Wohlgemerkt: Als Dickinson ihren Bericht veröffentlichte, hieß der Präsident der Vereinigten Staaten noch Barack Obama. Zehn Jahre später sitzt ein Hitzkopf im Weißen Haus, der die globale Erwärmung mit einem Verweis auf ein paar kühle Novembertage anzweifelt. Die Polarisierung der (US-amerikanischen) Bevölkerung sah Dickinson voraus: "Menschen, denen Materialismus ein gesteigertes Selbstwertgefühl verleiht und die eine Ideologie des Anspruchsrechts (entitlement) vertreten, werden mutmaßlich mehr SUVs kaufen und feindseligere Einstellungen gegenüber der Umweltbewegung entwickeln. Sie werden wahrscheinlich strengere Strafen für die radikaleren Protestler fordern. Im Gegensatz dazu werden diejenigen, die ihren Selbstwert durch Humanismus und Umweltschutz steigern, vermutlich zunehmend militanter werden und ihre Anliegen lauter formulieren." Dieser Konflikt gegensätzlicher Ideologien werde, so die Forscherin 2009, die gesellschaftliche Spaltung weiter vorantreiben.
Munter voran, mit Fakten statt Fake News
Der demokratische Entscheidungsfindungsprozess steht nun also vor der Herausforderung, verhaltenstypischen Leugnungsreflexen <link https: www.klimafakten.de fakten-statt-behauptungen fakt-ist external-link-new-window>ein rationales und faktenbasiertes Gegengewicht entgegenzusetzen. Das Evidente noch einmal zu überprüfen, wird mutmaßlich nur dazu führen, dass die heute Skeptischen nach der Neuentdeckung des Altbekannten auch morgen noch verlangen werden, erst einmal abzuwarten und mehr Informationen zu sammeln, bevor "vorschnell" von einer Korrelation auf eine Kausalität geschlossen werde.
Womöglich ist es aber, angesichts der Forschungsbefunde, tatsächlich der falsche Weg, auf Panik zu setzen, und stattdessen angebracht, der Todesangst mehr Lebensmut entgegenzusetzen. Opa, was ist ein Schneemann?, steht in zittrigen weißen Lettern auf einem schwarzen Plakat geschrieben, das ein Kind vor dem Stuttgarter Rathaus in die Höhe hält. Den Menschen hier, fast alle noch minderjährig und teils im Grundschulalter, merkt man die aufrichtige Sorge um ihre Zukunft an. Und dennoch ist die Stimmung im Vergleich zu anderen Versammlungen in der Öffentlichkeit auffällig positiv. "Hopp, hopp, Kohlestopp!", rufen die Kinder und jungen Erwachsenen bei Minusgraden und hüpfen munter auf und ab. Später gibt es eine Lärmminute, bei der sie sich die Seelen aus dem Leib schreien. Eine Frau kommt aus dem Rathaus gelaufen, guckt verdutzt und zieht erstmal die Schultern hoch. Dann lässt sie sich zu einem Lächeln erwärmen.
Und das wäre doch durchaus eine erquickliche Geschichte für die Nachwelt: Während es seit der Antike im Trend liegt, über die Jugend zu lästern, und sogar Sokrates nachgesagt wird, er habe sich über deren fehlende Manieren und ihren Hang, bei Tisch die Süßspeisen zu verschlingen, beklagt, könnten nachfolgende Generationen eben dieser eine halbwegs intakte Umwelt zu verdanken haben: Weil eine junge, dynamische und weltoffene Bewegung eine unfähige Erwachsenenwelt endlich zum Jagen trägt.
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W. Buck
am 02.02.2019