Thekla Walker wirkt etwas unglücklich. Während Greta Thunberg die Klimakonferenz in Glasgow schon Anfang November für gescheitert erklärt hatte, zog vergangene Woche auch Baden-Württembergs grüne Umweltministerin ein ernüchtertes Fazit: "Die beschlossenen Anstrengungen genügen nicht, um das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen", stellte sie das Offensichtliche fest, forderte Länder auf, bei ihren Klimaschutzplänen nachzuschärfen und "hofft sehr, dass diese Hausaufgabe erledigt wird" – als würde sie sich an Schulkinder richten. Allerdings findet Walker auch ernstere Worte. Es brauche größere Ambitionen, "wenn wir unseren Kindern und Enkeln noch einen lebenswerten Planeten hinterlassen wollen".
An drastischen Warnungen mangelt es längst nicht mehr. Doch während eine Klimakonferenz nach der anderen scheitert, steigen die globalen Treibhausgasemissionen aufgrund des Wachstumszwangs der kapitalistischen Weltwirtschaft munter weiter an. Der pandemiebedingte Einbruch im Jahr 2020 ist inzwischen beinahe revidiert und spätestens 2023 soll laut Prognosen ein neuer globaler Rekord beim CO2-Austoß erreicht werden. Zugleich bemüht sich die angehende Ampelkoalition, schon in den Verhandlungen alle klimapolitischen Hoffnungen zu enttäuschten: Selbst ein Tempolimit ist vom Tisch, die Bahn könnte zerschlagen und privatisiert werden, Gelb wie Grün setzen voll auf die Marktwirtschaft.
Was kann somit die Klimabewegung noch tun angesichts der rasant voranschreitenden Klimakrise? Die Antwort scheint auf der Hand zu liegen: Der außerparlamentarische Druck auf die politischen Entscheidungsträger muss aufrechterhalten werden, um den Abgrund zwischen klimapolitischer Notwendigkeit und spätkapitalistischer Realität zu skandalisieren. Für Charlotte von Bonin etwa, aktiv bei Fridays for Future Stuttgart, hätte die Glasgow-Konferenz "der Auftakt für eine radikale Wende sein müssen". Gegenüber Kontext sagt die 24-Jährige: "Ich denke, da kann ich für die ganze Klimagerechtigkeitsbewegung sprechen, wenn ich sage: Wir sind von den Ergebnissen maßlos enttäuscht." Besonders schlimm findet sie die Geschwindigkeit, mit der alle zur Tagesordnung und ihren ritualisierten Routinen übergehen: "Dass es gar keine große Nachricht mehr ist, dass die notwendigen Maßnahmen für den Erhalt intakter Lebensgrundlagen nicht beschlossen werden konnten, ist erschreckend." Daraus ziehe sie die Konsequenz, "dass wir uns nicht auf Parlamente verlassen können, sondern weiterkämpfen müssen."
Der Kampf ums Klima ist alternativlos
Doch offensichtlich reicht es nicht, die Politik im Rahmen einer Klima-APO unter Druck zu setzen, wie die beständig steigenden Emissionen beweisen, deren Zunahme bislang nur durch Wirtschaftskrisen kurzfristig unterbrochen werden konnte – die Klimabewegung müsste endlich mit einer klaren transformatorischen Perspektive angereichert werden. Alle Bundestagsparteien in Berlin, alle Regierungsvertreter bei der Konferenz in Glasgow bekennen sich zur Begrenzung der Erderhitzung. Politisch betrachtet, hat "Fridays for Future" schlicht gewonnen, da Klimaschutz Konsens ist. Und dennoch klappt es seit Jahrzehnten nicht mit wirksamen Maßnahmen – denn dieses Scheitern hat System.
Es gibt schlicht keine Alternative zu einem radikalen, an die Wurzel gehenden Kampf um das Klima, da das Kapital, seiner Eigendynamik des wilden Wachstums überlassen, die Welt in den sozialen und ökologischen Kollaps treiben wird. Der ganze kapitalistische Horror besteht letztendlich gerade darin, dass niemand hinter dem Vorhang sitzt und die Fäden zieht. Niemand hat auf gesamtgesellschaftlicher Ebene die Kontrolle über die Verwertungsbewegung des Kapitals: Sie läuft marktvermittelt als ein Prozess ab, bei dem aus Geld mittels Warenproduktion mehr Geld werden muss. Selbst die mächtigsten Kapitalisten sind diesem Sachzwang – von Karl Marx auf den Begriff des gesellschaftlichen Fetischismus gebracht – ausgeliefert. Das zeigt sich gerade in der Klimakrise, die mit dem Zivilisationsprozess auch die Grundlage fürs Geschäftemachen bedroht.
Die systemische Aporie binnenkapitalistischen Klimaschutzes brachte ausgerechnet Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann im März dieses Jahres auf den Punkt, als er bei einem Spaziergang in Sigmaringen gegenüber der Presse bekannte: "Der Vorwurf, dass wir zu langsam sind, stimmt. Und dass wir das ändern müssten, stimmt auch. Ich würde nur gerne wissen, wie."
It's the system, stupid!
"Bevor ich angefangen habe, mich in der Bewegung für Klimagerechtigkeit zu engagieren", berichtet die Aktivistin von Bonin, "habe ich mir wenig Gedanken über Systemkritik gemacht." Schon vorher sei sie in Milieus unterwegs gewesen, in denen von schädlichen Auswirkungen des Kapitalismus die Rede war. "Aber erst durch die intensive Auseinandersetzung mit Themen wie der Klimakrise und Umweltzerstörung, aber auch mit der extremen globalen Ungerechtigkeit bei ökonomischen Fragen wurde mir immer klarer, dass ein System mit unendlichem Wachstumszwang nicht ewig Bestand haben kann."
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