Gerade in der Landwirtschaft. Eben erst hat Agrarminister Hauk bei einer einschlägigen Plenardebatte bekannt, in einer Zeit aufgewachsen zu sein, "in der es drei- oder viermal in der Woche Fleisch gab oder auch nur zweimal". Mit den notwendigen Vorschriften im Kampf gegen die Erderwärmung will Hauk das aber nicht in Einklang bringen. Wenn die Fachleute vom ZSW schreiben, dass "mit Blick auf die Treibhausgase die Tierhaltung der wichtigste Minderungshebel ist" und die Verringerung der Tierbestände und des Konsums tierischer Produkte als vorrangige Maßnahme gelistet wird, dann kontert der CDU-Forstwirt mit der Feststellung, dass da ja "lediglich" eine einzige Studie vorgelegt worden sei. Und es in vielen Bereichen noch "erheblichen Diskussionsbedarf" gebe. Der so vollmundig beschworene neue Geist der grün-schwarzen Zusammenarbeit sieht anders aus.
Vor allem Hagel und seine Landtagsfraktion werden sich an der Ankündigung messen lassen müssen, dem Klimaschutz "Top-Priorität" einräumen zu wollen. "Für uns Christdemokraten ist die Bewahrung der Schöpfung ein zentraler Bestandteil unseres Handelns", verkündet der 34-Jährige, der so gern nächster oder zumindest übernächster Ministerpräsident werden will, "deswegen machen wir hier das fortschrittlichste und beste Klimaschutzgesetz in Deutschland".
Für die Umweltministerin wiederum ist unverhandelbar, dass nicht nur die Ziele in dieses Gesetz kommen. Vom Herbst an soll im sogenannten Maßnahmenregister das weitere Vorgehen der Landesregierung öffentlich einsehbar und online dokumentiert werden. Schwarz auf weiß ist dann nachzulesen, wie dem von ZSW als dringend notwendig erachteten "hohen Ambitionsniveau" entsprochen wird – jeweils nach Zuständigkeiten: Die Abfall- und die Energiewirtschaft verantwortet Walker selbst, den Verkehr Winfried Hermann (Grüne), Gebäude die neue Wohnministerin Nicole Razavi (CDU), Industrie Hoffmeister-Kraut und die Land- und Forstwirtschaft Hauk.
Der Wald soll 2040 die Rest-Emissionen abbauen
Baden-Württembergs Waldreichtum wird in fast zwei Jahrzehnten eine tragende Rolle haben. "Da im Jahr 2040 unvermeidbare Restemissionen bestehen werden – in der Landwirtschaft, der Abfallwirtschaft und in Industrieprozessen –, ist Klimaneutralität nur über Senken zu erreichen", schreiben die ZSW-Fachleute. Einen großen Teil könne die natürliche Senke Wald beitragen: "Wird mehr Holz eingeschlagen, verringert sich die Senkenleistung, wird weniger eingeschlagen, steigt sie." Noch ein Punkt, der nach rechtzeitig erlassenen Geboten schreit.
Beschlossen ist immerhin, neben der bereits geltenden Photovoltaikpflicht auf allen Neubau-Dächern und ab 2023 bei großen Dachsanierungen – bisher etwa 50.0000 pro Jahr –, dass zum gleichen Zeitpunkt im Land keine Heizkessel für fossile Brennstoffe mehr installiert werden dürfen. Wie vieles andere kommt auch das deutlich zu spät, denn, so das ZSW, "obwohl ihr Bestand dann stark abnimmt, sind in 2040 noch rund 500.000 Heizkessel in Betrieb und wenn sie nicht vorzeitig stillgelegt werden, bleiben wenige fossile Heizkessel sogar noch bis 2050". Im Klartext: Tag für Tag dürfen jetzt noch klimaschädliche Heizungen eingebaut werden. In Dänemark, nur zum Vergleich, gilt ein Verbot seit 2016. Zwei Zahlen zur Fernwärme, produziert dank Solarthermie, stehen ebenfalls für den Handlungsdruck. Für das Jahr 2030 ist davon auszugehen, dass 500.000 Quadratmeter Kollektorfläche dafür in Baden-Württemberg zur Verfügung stehen. 2040 müssen es aber 2,3 Millionen sein.
In Elmau hat der Kanzler einen Klimaclub der Willigen zusammengebastelt. Immerhin, weil sonst die weltweiten Ziele bis 2050 nicht zu erreichen sind. Mit dem Club vielleicht auch nicht, aber es sind jetzt erst einmal Schritte auf dem Weg dahin festgeschrieben, etwa – wenig genug – die Erfassung der Emissionen, die sich viele Länder bisher gar nicht leisten wollen oder können. Oder die Verlagerung der Industrieproduktion dorthin zu erschweren, wo weniger streng vorgegangen oder kontrolliert wird. "Das ist jetzt sehr konkret geworden", sagt Olaf Scholz beim Gipfelabschluss. Und wie auf Bestellung beginnt es, aus den schwarzen Wolken über dem Wettersteingebirge zu regnen.
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ewald koenig
am 03.07.2022Aktionismus verschleiert Sicht- und Handlungsweisen, behindert wirksame Resultate. Essentielles Wesen der Demokratie drückt sich in…