Nachdem sie schon eine Weile unruhig auf ihrem Stuhl hin und her gerutscht ist, platzt der jungen Frau am Ende der Veranstaltung im Stuttgarter Planetarium der Kragen: Sie sei nur noch enttäuscht, sagt sie. 2011 habe sie bei der Volksabstimmung zu Stuttgart 21 "ganz offen" für das Projekt gestimmt, gegen den Ausstieg des Landes aus der Finanzierung. Sie habe in dieser Zeit auf dem Land gewohnt, habe sich informiert über das Projekt, die von den S-21-Befürwortern versprochenen Vorteile hätten sie damals überzeugt, die bessere Anbindung der verschiedenen Regionen des Landes an die Landeshauptstadt. Doch jetzt habe sie "das Gefühl, dass Stuttgart 21 nur ein Stadtprojekt ist", dass nicht daran gedacht werde, dass Bürger:innen, die nicht in der Stadt, sondern auf dem Land wohnen, möglichst direkt nach Stuttgart fahren "und nicht fünfmal umsteigen wollen".
Langjährige Stuttgart-21-Kritiker mögen da nur mit der Schulter zucken: Haben wir schon vor Ewigkeiten gesagt. Und Gerd Hickmann, Abteilungsleiter "Öffentlicher Verkehr" im grüngeführten Landesverkehrsministerium, bestätigt dies in seiner Antwort auf die Kritik der Besucherin: "Stuttgart 21 ist natürlich, das sage ich als Gegner-Veteran, kein verkehrspolitisches Projekt, sondern zu guten Teilen ein Immobilien- und städtebauliches Projekt – für zehn Milliarden Euro, die es am Ende kosten wird." Aber zugleich zeigt dieser kurze Wutausbruch auch, wie wenig die Argumente der S-21-Gegner 2011 in weiten Teilen des Landes verfingen – und was für ein böses Erwachen es nun nach sich zieht, eben nicht allein in Bezug auf Projektkosten und -dauer.
Der Gegensatz und die Konflikte zwischen dem städtebaulichen und verkehrspolitischen Teil des Projekts zeigen sich momentan besonders deutlich bei der Gäubahn. Um die dreht sich auch die Veranstaltung am vergangenen Freitag im Stuttgarter Planetarium, zu der die grüne Gemeinderatsfraktion in Stuttgart eingeladen hat. Auch wenn die Gäubahn, jene Bahnstrecke, die Stuttgart via Böblingen, Horb, Rottweil und Singen mit der Bodenseeregion und der Schweiz, Endpunkt Zürich, verbindet, gar nicht auftaucht im Titel: "Knoten S 21 – jetzt die Weichen stellen für eine echte Verkehrswende".
Unterbrechung: zwischen sechs und 15 Jahre
Den latenten Konflikt virulent und zu einem hitzigen gemacht hat dabei, als im Jahr 2019 klar wurde, dass die Gäubahn im Zuge der S-21-Bauarbeiten für mindestens drei Jahre vom Stuttgarter Hauptbahnhof abgekoppelt sein werde und nicht nur maximal sechs Monate, wie die Bahn ursprünglich versprochen hatte (Kontext berichtete).
3 Kommentare verfügbar
Elisabeth Pflüger
am 29.06.2024Wir brauchen einen Zughalt mit direktem Anschluss an den 42er Bus .
Der Kopfbahnhof mit absolut barrierefreiem Nordeingang war optimal. Alles danach verschiedengradige Zumutungen.