Pofalla führte dies dann genauer aus: Bei einer Entscheidung für den Gäubahntunnel würden 270 Millionen aus dem S-21-Projekttopf in die neue Planung überführt werden. Eine wirkliche Neuigkeit war aber auch das nicht mehr, denn Stuttgarts Oberbürgermeister Frank Nopper hatte sie schon in einem Interview in der StZN ausgeplaudert – auch wenn er neben umgeschichteten 270 Millionen von einer "ungedeckelten Finanzierungszusage des Bundes" sprach. So explizit, ob also der Bund tatsächlich die ganzen Restkosten übernehme, egal, wie sich das Projekt entwickle, sagte es Pofalla wiederum nach der Lenkungskreissitzung nicht. Sondern nur, dass der Bund die Finanzierung der Vorplanung komplett übernehme.
Auch wenn OB Nopper und Thomas Bopp, Präsident des Regionalverbands VRS, deswegen "positive Vorsignale" für den Gäubahntunnel sehen, bekräftigte Minister Hermann: "Für eine Entscheidung über den Tunnel brauchen wir weit mehr Informationen." Und Pofalla führte die nötigen Kriterien im Anschluss aus: Erstens eine positive Kosten-Nutzen-Untersuchung, zweitens eine Finanzierungszusage des Bundes, drittens die "Einigkeit der Projektpartner über die notwendigen Vertragsanpassungen". Und bislang sei, so Pofalla, nur das erste Kriterium erfüllt.
Windige Kosten-Nutzen-Rechnung
Eine positive Wirtschaftlichkeitsrechnung ist tatsächlich das einzig halbwegs Konkrete, was es bislang in Bezug auf den Gäubahntunnel gibt – und die von Steffen Bilger im Frühjahr vorgestellte Rechnung ist zudem eine hochgradig windige, an vielen Stellen fragwürdige und hingetrickste (Kontext berichtete). Darin werden etwa Tunnelkosten von einer Milliarde Euro postuliert – andere Rechnungen kommen auf 1,5 Milliarden oder fast das Dreifache, 2,7 Milliarden Euro – und wirtschaftlich wird selbst dieser Wert nur dadurch, dass der Tunnel in ein großes Gäubahn-Maßnahmen-Paket gepackt wird, zu dem unter anderem auch der Wegfall der Bahnhöfe Singen und Böblingen als Fernverkehrshalte gehört. Maßnahmen, also, die das Land zumindest nicht unwidersprochen hinnehmen dürfte, wenn ihm eine Verkehrswende wirklich wichtig ist.
Vor genau einem Jahr hatten sich Hermann und Pofalla bei einer Lenkungskreissitzung noch sehr skeptisch zur Tunnel-Idee geäußert, hatten sie beide als "planerische Fiktion" bezeichnet. Und auch jetzt bleibt Hermann bei seiner Bewertung noch maximal schmallippig, bei Pofalla lässt sich eine Prise mehr Wohlwollen in seine Äußerungen interpretieren, aber auch er sagt: "Die bestehende, vertraglich vereinbarte Planung zur Flughafen-Anbindung über die Antragstrasse muss weitergeführt werden." Dass diese alte Planung ein nicht ernsthaft umsetzbarer Murks ist, oder, um mit dem unlängst verstorbenen S-21-Erfinder Gerhard Heimerl zu sprechen, im Falle ihrer Umsetzung eine "Versündigung an unseren Enkeln" darstelle, wegen des extrem verspätungsträchtigen Mischverkehrs von Fernverkehr und S-Bahnen über die bestehende S-Bahn-Strecke auf den Fildern, das dürften indes Hermann wie Pofalla wissen.
Zwei Varianten zur Auswahl – zu wenig?
Doch nun soll erst einmal eine Vorplanung zum Gäubahntunnel beginnen – laut Pofalla "in den nächsten Tagen". Und erst deren Abschluss sei dann die Voraussetzung, "um die möglichen Varianten vergleichen und über sie entscheiden zu können". Mit den "möglichen Varianten" sind, wie eine Nachfrage ergibt, auch tatsächlich nur die alte Planung und der Gäubahntunnel gemeint. Aber müsste hier nicht, wenn ein offensichtlicher Mangel in den bestehenden Planungen besteht, viel offener gedacht werden?
2 Kommentare verfügbar
Sebastian H.
am 15.11.2021https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.heimerl-ueber-den-filder-bahnhof-wir-versuendigen-uns-an-unseren-kindern-und-enkeln.262e7aa3-e600-4613-aaab-b5f0cd20d75a.html
Prof. Heimerl kritisierte damals die…