Wie soll man das nennen? Chuzpe? Von bemerkenswerter Dreistigkeit war es auf jeden Fall, was Steffen Bilger (CDU), Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, am vergangenen Donnerstag in einer Online-Pressekonferenz vorführte: Sein mutmaßlich sündhaft teurer Gäubahntunnel wird einfach in ein größeres Paket umgepackt und mit so vielen Maßnahmen kombiniert, die ein günstigeres Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweisen, bis am Ende das ganze Paket doch noch wirtschaftlich ist.
Kurzer Rückblick: Im Juni 2020 zauberte Bilger die Idee eines elf bis zwölf Kilometer langen Gäubahntunnels wie ein Kaninchen aus dem Hut. Der Tunnel sollte einen Teil der ursprünglichen Stuttgart-21-Planung auf den Fildern ersetzen, die vorsah, die aus Richtung Zürich kommende Gäubahn ab Stuttgart-Rohr über das bestehende S-Bahnnetz an den Stuttgarter Flughafen anzuschließen (Planfeststellungsabschnitt 1.3b) – was wegen des enorm verspätungsträchtigen Mischverkehrs seit Jahren scharf kritisiert wurde. Bilgers Vorschlag war also zunächst einmal das Eingeständnis des krachenden Scheiterns der bisherigen Planung (Kontext berichtete).
Eine weniger schlechte Idee ist aber nicht zwangsläufig eine gute: Noch existieren keine konkreten Pläne zur Machbarkeit des Bilgertunnels, der aber allein durch seine Ausmaße enorme Mengen Beton benötigen und damit hohe Treibhausgas-Emissionen verursachen würde; der die Zeit, die die Gäubahn durch S 21 vom Stuttgarter Hauptbahnhof abgehängt sein wird, noch verlängern würde; der zudem zwar einen Engpass auf dem Filderabschnitt beheben würde, nicht aber im programmierten Nadelöhr Tiefbahnhof. Und der sehr viel kosten dürfte.
Wohl weil die Kostenfrage großes Konfliktpotenzial mit den S-21-Projektpartnern Bahn AG und Land Baden-Württemberg birgt, wandte Bilger schon von Anfang an einen Kunstgriff an: Sein Tunnel wurde aus S 21 herausgelöst und als Beschleunigung im Rahmen des Deutschlandtaktes verkauft. Er wurde daher in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen, was eine Finanzierung durch den Bund ermöglicht. Voraussetzung: Das Vorhaben muss wirtschaftlich sein, sonst gibt's keine Förderung. Weswegen seit Wochen mit Spannung auf die Wirtschaftlichkeitsberechnung gewartet wurde.
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David
am 14.09.2021Um unseren Wohlstand langfristig zu sichern brauchen wir weiterhin den Mut für…