Landesumweltministerin Thekla Walker (Grüne) wird nicht müde, auf die erste einschlägige Gesetzesnovelle zu verweisen, in der gerade durch die Bereitstellung von Flächen im Staatswald und im Landesbesitz der Ausbau von Wind- und Sonnenenergie vorangebracht werden soll, außerdem auf die Photovoltaik-Pflicht bei allen Neubauten und grundlegenden Dachsanierungen. Walker, die mit Kretschmann in Glasgow war, weiß aber genau, dass der erste große Kraftakt noch bevorsteht. Bis zum Sommer 2022 gilt es, die Sektorenziele zu verschärfen, also jene CO2-Einsparungen zu befördern, die Handel, Verkehr, Industrie, Privathaushalte, Verwaltung oder Landwirtschaft bringen müssen. Ihr Vorgänger und Parteifreund Franz Untersteller, heute Botschafter der "Under2 Coalition", hatte jedenfalls für jede Menge Unmut auch beim Koalitionspartner gesorgt, als er vor zwei Jahren konkrete Zahlen präsentierte – darunter die höchst anspruchsvolle Maßgabe, dass private Haushalte bis zum Jahr 2030 eine Treibhausgasminderung von 57 Prozent gegenüber 1995 erbringen müssen.
Also schauen jene Klimapartner weltweit, die auf ihrer jeweiligen politischen Ebene kaum Gestaltungsspielräume haben, auf die Gründungsmitglieder der Allianz. Kalifornien gilt als Musterschüler, gerade mit konkreten CO2-Minderungsvorgaben im Verkehr. Baden-Württembergs damaliger Ministerpräsident Lothar Späth (CDU) hatte sich schon in den achtziger Jahren im Sonnenstaat für alternative Kraftstoffe begeistert, damals vor allem Raps. Gar nichts – außer die entsprechenden politischen Beschlüsse – kosten die Spuren auf High- oder Freeways, die vollbesetzten Autos vorbehalten sind. Wer nicht alleine, sondern mit KollegInnen unterwegs ist, fährt am Stau vorbei. Als Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) 2015 für derartige Mitfahr-Konzepte warb, weil "statistisch gesehen in Baden-Württemberg nur 1,2 Menschen im Auto sitzen", gab es im Landtag reichlich Hohn und Spott, gerade aus den Reihen der CDU. In einer Plenardebatte stellten sich erheiterte Abgeordnete vor, wie AutofahrerInnen Schaufensterpuppen auf dem Beifahrersitz platzieren, weil sie weiterhin in ihrem Auto allein unterwegs sein wollten.
"Auf gar keinen Fall niederwalzen": Bürgerbeteiligung
Die Zeiten haben sich geändert, die Herausforderungen sind aber noch größer geworden. Zudem wollten die Schwarzen 2021 unbedingt wieder in die Regierung. Noch ein Grund dafür, dass die Grünen jetzt liefern müssen. "Eine Wirtschaft, die 250 Jahre von Kohle, Öl und Gas betrieben wurde, muss in nur 25 Jahren auf erneuerbare Energien umgestellt werden", sagt Kretschmann, "das ist nichts anderes als eine neue industrielle Revolution." Immerhin hätten die Under2-Partnerregionen, anders als die Staaten rund um den Globus insgesamt, ihre Emissionen gesenkt statt gesteigert. Dreh- und Angelpunkt, um noch mehr Nachahmung zu erreichen, sei, den Menschen zu zeigen, dass es "mehr zu gewinnen als zu verlieren gibt".
Der Ausbau der Windkraft wird der erste große Prüfstein in der neuen Legislaturperiode sein, ob und wie solchen Worten Taten folgen können. O-Ton Kretschmann: "Wir werden auf gar keinen Fall Bürgerbeteiligung niederwalzen." Vielmehr müssten alle Verfahrenswege, der Ablauf von Genehmigungen, die Rechtsgrundlagen auf den Tisch, die Änderung des Baugesetzbuchs inklusive. Denn: "Wir können den Knoten nicht durchschlagen, also müssen wir ihn aufknüpfen." Höchstens vier Jahre hat er dazu noch Zeit.
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