Am 19. April dieses Jahres war es mal wieder so weit: ein "neu definierter SUV-Luxus", jubelte Mercedes-Benz bei der Präsentation eines geländetauglichen EQS-Modells – nachdem im Frühling 2021 bereits die konventionelle Variante das "Fahrzeugsegment der vollelektrischen Luxuslimousine neu definiert" wurde, und wenige Monate zuvor auch schon die neue Mercedes-Maybach S-Klasse "eine neue Definition von Luxus" gewesen sein soll, wie immer, wenn es ein neues Modell vorzustellen gilt.
Ähnlich originell wie die rhetorische Verpackung der Premium-Produkte fallen ihre innovativen Errungenschaften aus: Mal ist es eine Heizung im Sicherheitsgurt (eine Erfindung von Ford), eine Sprachsteuerung, die sich mit "Hey Mercedes" aktivieren lässt (ähnlich wie bei iPhones seit 2011) oder die Zahl von LED-Lampen, die von 40 auf 250 gestiegen ist (darauf ist noch niemand gekommen). Kurzum: Nichts, was die vier Räder neu erfände und alles, was unter die schnöde, alte Duden-Definition von Luxus fällt: als "kostspieliger, verschwenderischer, den normalen Rahmen (der Lebenshaltung o. Ä.) übersteigender, nicht notwendiger, nur zum Vergnügen betriebener Aufwand".
Wer die Öffentlichkeitsarbeit des Weltkonzerns über längere Zeit in den Blick nimmt, kann nicht über einen Mangel an Kontinuität klagen. Wenig überraschend erfolgte nun vergangene Woche die Ankündigung, den Fokus künftig noch stärker auf das Luxus-Segment auszurichten, genauer: "auf die drei Produktkategorien Top-End Luxury, Core Luxury und Entry Luxury", mit einer "Produktoffensive bei Maybach, AMG und G-Klasse", einem speziell auf den chinesischen Markt zugeschnittenen Modell, einer als "ultra-exklusiv" beworbenen "MYTHOS Serie" nur für die "treuesten Mercedes-Benz Enthusiasten und Sammler". Und "im Mittelpunkt steht dabei der Anspruch, die begehrenswertesten Autos der Welt zu bauen", wie der Vorstandsvorsitzende Ola Källenius bei der Präsentation der Langfrist-Ziele an der Côte d’Azur verriet.
Die Marge muss halt stimmen
"Wenn wir uns auf Luxus als unseren Kern besinnen, sind wir auf dem richtigen Weg", sagte Källenius schon im Juli 2020 dem "Handelsblatt". Damals galt sein Konzern als angeschlagen. "Kein anderer deutscher Autobauer kränkelt so stark wie Daimler", berichtete die Wirtschaftszeitung. Inzwischen sieht die Welt ganz anders aus. Obwohl auch Mercedes-Benz in der Corona-Krise von Lieferengpässen betroffen war und Mitarbeiter:innen in Kurzarbeit schickte, hat das Unternehmen seinen Gewinn im Vergleich zum Vorjahr auf 23,4 Milliarden Euro versechsfacht – und "profitierte dabei sogar indirekt von den Auswirkungen des Halbleitermangels", wie die FAZ schreibt: "Dadurch wurde das Angebot knapp. Der Konzern konnte höhere Preise für seine Autos verlangen. Die wenigen verfügbaren Chips baute er – wie die gesamte Branche – vor allem in Modelle ein, die viel Geld abwerfen."
Das "Handelsblatt" führt die spektakulären Zahlen vor allem auf die S-Klasse zurück: "Mit dem Fabrikat zum Basispreis von 105.403 Euro erwirtschaftet Mercedes teils Margen von mehr als 20 Prozent."
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bedellus
am 26.05.2022