Wenn die Entscheidung allein dem Markt überlassen bleibt, geht der Trend bei den deutschen Autobauern gerade hin zum hochpreisigen Luxussegment – und trotz üppig bezuschusster E-Auto-Käufe ist ein flächendeckender Umstieg angesichts des viel zu niedrigen Lohnniveaus der unteren Einkommensklassen so nicht zu schaffen.
Ein Paradebeispiel, wie es nicht laufen soll, ist für Dörre das Desaster der Lufthansa-Rettung: "Da hat der Staat Milliarden in die Hand genommen, es ist eine öffentliche Investition – und trotzdem wurde auf ein Mitspracherecht verzichtet." Dann wurden reihenweise Mitarbeiter:innen rausgeworfen und jetzt hat man den Salat: ein riesiges Chaos an den Flughäfen. Dörre will keine zentralisierte Planung im staatssozialistischen Sinne, "da haben die Erfahrungen gezeigt, dass es nicht gut läuft". Aber "kollektives Selbsteigentum" für die Beschäftigten, die so mehr Einfluss auf die Ziele des Unternehmens, für das sie sich verausgaben, bekommen sollen.
Geschlossene Gesellschaft
Zwischen den Vorträgen der insgesamt acht Stunden langen Konferenz gibt es Raum für Beiträge aus dem Publikum, die manchmal Fragen und manchmal Statements sind. Ein großer Teil der sich zu Wort meldenden ist bei der Linken aktiv. Elwis Capece etwa, Landessprecher in Baden-Württemberg und Gewerkschaftssekretär bei der NGG, findet, es sei ein Unding, wie viel Lebensmittel – und Güter im Allgemeinen – nicht auf der Schiene, sondern in LKWs transportiert werden. Ursel Beck, kommunalpolitisch aktiv bei Mieterinitiativen Stuttgart, hält es für falsch, das ebenfalls umweltschädliche E-Auto als Alternative zum Verbrenner darzustellen, "da muss man doch nicht mitmachen", sondern lieber ganz auf den Ausbau des ÖPNV setzen. Bernd Riexinger, ehemaliger Parteivorsitzender der Linken und früherer Verdi-Gewerkschaftssekretär, sagt, gute Ideen gebe es schon lange, jetzt wären riesige Investitionen nötig: "Das 9-Euro-Ticket würde für ein ganzes Jahr etwa 10 Milliarden Euro kosten. Wenn es möglich ist, für Aufrüstung Sondervermögen einzurichten, muss das doch erst recht für den Erhalt menschlicher Lebensgrundlagen gehen."
"Liebe Leute, träumt weiter", sagte Irene Kamm, SÖS-Bezirksbeirätin in Stuttgart-Sillenbuch, die zwar für viele Ideen Sympathien hat, aber sich darüber ärgerte, dass auch über Konzepte wie Kollektivierung und Vergesellschaftung diskutiert wurde. "Die Linke am Abgrund, kommt mal zur Realität zurück und versucht, machbare Mehrheiten zu suchen."
Angesichts der überschaubaren Beteiligung und vielen leer gebliebenen Stühlen erscheint die Frage nach dem gesellschaftlichen Durchdringungsgrad durchaus berechtigt. Der Handlungsdruck in der Klimakrise ist hoch wie nie, die Konzepte des liberal geführten Bundesverkehrsministeriums wirken kaum geeignet, eine grundlegende Verkehrswende einzuleiten. Doch der Linken und der RLS gelingt es an diesem Wochenende nicht so recht, mit ihren – teils überzeugenden, aber altbekannten – Ideen neue Kreise zu erreichen. Von ein paar Ausnahmen abgesehen ist das Publikum der um Diversität bemühten Partei im repräsentativen Schnitt alt, weiß und männlich. Und auch wenn andere Staaten bei der nachhaltigen Mobilität viel weiter sind und als Vorbilder dienen könnten, blieb die Auswahl von Referent:innen wie auch von Inhalten fast ausschließlich deutsch.
8 Kommentare verfügbar
Stefan Dreher
am 10.07.2022Irene Kamm: "Die Linke am Abgrund, kommt mal zur Realität zurück und versucht, machbare Mehrheiten zu suchen."
Die Kombination dieser Aussagen bieten m.E. den strategischen Ansatz!
Selbst…