Was ist nicht schon alles passiert im Vorfeld des Hochamts der Liberalen an Dreikönig. Immer wieder wurde zeitgerecht mächtig gesägt am jeweiligen Bundesvorsitzenden: Mitte der Achtziger Jahre Martin Bangemann, zehn Jahre danach Klaus Kinkel, noch später Wolfgang Gerhardt. Für große Aufregung sorgte 2011 der inzwischen fast vergessene Rücktritt Lindners als Generalsekretär. Wenige Tage später ließ Annegret Kramp-Karrenbauer, damals CDU-Ministerpräsidentin des Saarlands, mitten in den Auftritt des ohnehin reichlich angeschlagenen Philipp Rösler in der Stuttgarter Oper die Eilmeldung platzen, dass sie ihre Koalition mit den Liberalen in Saarbrücken aufgekündigt hatte. Danach war auch der dreizehnte Parteichef nur noch einer auf Abruf. Noch einmal zwei Jahre später dichtete ein liberaler Literat am Eingang zur Oper: "Stänkern, mobben, zanken, die Partei der Intriganten."

Ach, den gab’s ja auch mal: Bundeswirtschaftsminister a.D. Philipp Rösler. Foto: Dirk Vorderstraße, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons
Im Vergleich dazu sind die milliardenschweren Entlastungen, die Lindner am ersten Wochenende des Jahres in Aussicht stellte, regelrecht Peanuts, zumal sie sich auf Punkt und Komma aus dem Koalitionsvertrag der Ampel ableiten lassen. Bemerkenswert ist der Vorstoß trotzdem, steht er doch für den politischen Mehrkampf 2022, in dem sich die Liberalen erst noch beweisen müssen: Erkennbar bleiben für die eigene Klientel, die auf die Vokabel Steuererleichterungen verlässlich entzückt reagiert; zugleich stabil regieren im Bund mit Roten und Grünen sowie Wahlen gewinnen im Frühjahr im Saarland, in Schleswig-Holstein und NRW, im Herbst Niedersachsen; und schließlich kraftvoll opponieren in jenen zwölf Ländern, in denen sie nicht in der Regierung sitzt, allen voran in Baden-Württemberg.
Hier, im Stammland der Partei, wo der volle Name der Fraktion noch immer Freie Demokratische Partei/Deutsche Volkspartei lautet, sind die Wunden in mehrfacher Hinsicht tief. Mit weit überdurchschnittlichen 15,3 Prozent hatte der Südwesten bei der Bundestagswahl am 26. September zwar für die Bundes-FDP ein knappes Plus gerettet. Trotzdem musste man sich mit vier Staatssekretären in Berlin begnügen, ein Ministeramt fiel nicht ab für den nach der Zahl der Mitglieder bundesweit zweitgrößten Landesverband. Kein Wunder, dass Landeschef Michael Theurer forsch nach einem Spitzenposten in der Partei greift und seinen Anspruch auf einen der stellvertretenden Bundesvizes erhebt, wenn im nächsten Jahr die gesamte Führung neu gewählt wird. Der Ausgang ist ungewiss: Ziemlich beste Freunde werden er und Alleinherrscher Lindner nicht mehr.
FDP im Land: Von den Grünen links liegen gelassen
Andererseits kann es Landtagsfraktionschef Hans-Ulrich Rülke nicht verwinden, dass Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Frühjahr die hiesige FDP links liegen ließ und seine grün-schwarze Landesregierung fortführte. Kretschmann sei eben "der profilierteste Vertreter eines autoritären Konservativismus im deutschen Südwesten", der die Zusammenarbeit mit einer Partei vorziehe, "die ihm näher liegt als seine eigene", keilte Rülke zwei Tage vor Dreikönig auf der alljährlichen Pressekonferenz vor dem ebenfalls traditionellen Landesparteitag. Spätestens 2026 will er endlich sich und seine FDP an den Kabinettstisch in der Villa Reitzenstein bringen. Ob die CDU von der Aussicht begeistert ist, dort neben einem zu sitzen, der sie als "bis dahin ohnehin reif für den Abdecker" beschreibt, ist eine andere Frage.
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