Fast schon im Wochenrhythmus ploppen derzeit neue Enthüllungen über die FDP auf, die das Zeug zum handfesten Skandal haben. Zuletzt in der vergangenen Woche, als das ZDF-Magazin "frontal" publik machte, wer die Ampel-Partei zum Klimaschutz berät. Zwar bekennen sich Parteichef Christian Lindner und führende Liberale immer wieder zum Kampf gegen die Erderwärmung. Doch wenn es um konkrete Maßnahmen geht, verhindern die FDP-Minister in der Regierung nicht selten, was Koalitionspartner und Wissenschaftler für notwendig halten. Beispiele dafür sind Entscheidungen der Partei beim Verbrenner-Aus, den Sektorzielen, beim Tempolimit – nicht zuletzt beim Gebäudeenergiegesetz, das im FDP-Sprech nur noch "Heizungsverbot" heißt.
Nach den "frontal"-Recherchen verwundert das nicht. Denn in Klimafragen berät die FDP-Bundestagsfraktion ein Referent, der öffentlich bei sogenannten Klimaskeptikern auftritt. Auf deren Podien gibt Steffen Hentrich, so sein Name, Bemerkenswertes zu Protokoll. Etwa über die IPPC-Berichte des Weltklimarats, in denen internationale Wissenschaftler vor unbeherrschbaren Folgen der globalen Erwärmung warnen. "So wie ich die Studien lese, werden wir selbst in den Worst-Case-Szenarien in einer Welt mit viel mehr Wohlstand leben", sagt Hentrich auf einer Veranstaltung des libertären Freiblickinstituts in Berlin im November 2019 (hier ab Minute 26:40 nachzuhören). "Alte Ladenhüter aus der Klimaskeptiker-Szene, die hundertfach von der Wissenschaft widerlegt worden sind", kommentiert der Potsdamer Klimaforscher Stefan Rahmstorf derartige Bemerkungen im ZDF.
Der FDP-Referent und der Klimaskeptiker-Verein
Es ist nicht der einzige Auftritt des Umweltökonomen, wie Hentrich sich selbst bezeichnet, im Schwurbler-Milieu. In einer anderen Szene sitzt der FDP-Referent neben dem US-amerikanischen Klimawandelleugner Fred Singer vor dem Logo des deutschen Klimaskeptiker-Vereins EIKE ("Europäisches Institut für Klima und Energie"). Dass Heinrichs gut in die Szene passt, unterstreichen seine Statements. So verneint er eine Klimakrise, spricht lieber von einer Krise der Klimapolitik. "Es gibt nicht genug konventionelles Öl und Gas, um das Klima wesentlich zu verändern. Das künftige Klima wird durch deren Substitution bestimmt", twitterte er jüngst.
Nach den Positionen und Beziehungen ihres klimapolitischen Referenten befragt, versucht sich FDP-Fraktionschef Christian Dürr herauszureden. "Verantwortlich sind Politiker, die die Hand heben. (…) Nicht Referenten. Referenten werden nicht gewählt", beteuert er gegenüber "frontal". Was allerdings kaum als Ausrede taugt. Selbst Führungspersönlichkeiten der Partei glänzten schon mit Abstrusitäten. Etwa Nicola Beer, einstige FDP-Generalsekretärin und stellvertretende Parteivorsitzende. Als Bundestagsabgeordnete twitterte Beer 2017, dass das "angebliche Auftreten von mehr Extremwetterereignissen" reine "Fake News" seien. Später im Vorfeld der Europawahlen 2019 vom damaligen RTL-Journalisten Louis Klamroth (heute "Hart aber fair") befragt, ob ihr der Tweet inzwischen peinlich sei, verneinte Beer und berief sich auf "alle Forscher, die solche Klimaveränderungen über Dekaden, (...) Jahrhunderte betrachten, sagen, das sind alles nur kleine Ausschläge". Mittlerweile hat die Europa-Abgeordnete und Vizepräsidentin des Europaparlaments, die ihr Mandat bald aufgibt und in gleicher Funktion in die Europäische Investitionsbank wechselt, den Ausgangs-Tweet gelöscht.
Glückwünsche an Windkraft-Blockierer
Die Aufzählung von FDP-Spitzenpolitikern mit Verbindungen in einschlägige Kreise lässt sich weiterführen. Laut dem Lobbyregister "Lobbypedia" existieren besonders enge Beziehungen zu Klimaskeptikern und Energiewendegegnern in Hessen. Dort biederte sich die FDP dem bundesweit aktiven Verein Vernunftkraft an. Der kämpft gegen Wind- und Solarenergie, favorisiert stattdessen Atom und Kohle. Zur Gründung des hessischen Landesverbands im Oktober 2014 übermittelte René Rock, der damalige energiepolitische Sprecher der FDP im Wiesbadener Landtag, "im Namen der gesamten Fraktion" Glückwünsche.
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Matthias von Herrmann
am 05.05.2023