"Wenn es offensichtlich ist, dass einige Konzerne wissentlich und vor allem übergebührlich am Horror dieses Krieges verdienen, dann sollten wir doch eine Übergewinnsteuer einführen, die genau dem aktiv entgegenwirkt", fordert die Grünenvorsitzende Ricarda Lang. Doch auch wenn es sozialdemokratische Mitstreiter:innen für die Idee gibt, ist es den Regierungsparteien bislang nicht gelungen, sich gegen den kleinsten Koalitionär durchzusetzen – obwohl es laut dem aktuellen Deutschlandtrend von infratest dimap sogar 58 Prozent der FDP-Anhänger:innen richtig fänden, Unternehmen mit sehr hohen Gewinnen zusätzlich zu besteuern. "Ich habe Bedenken, dass uns allen diese Maßnahme mehr schadet als hilft", verrät allerdings Finanzminister Christian Lindner (FDP), der es wichtiger findet, das Vertrauen in unser Steuersystem nicht zu ruinieren. "Denn hohe Gewinne entstehen oft bei Pionieren, die zuvor über Jahre mit hohen Risiken investieren. Es wäre schade, wenn sie sich in Zukunft aus Angst vor Bestrafung der eigenen Leistung gegen Deutschland entscheiden."
Ein Pionier, der sich nicht vor Bestrafung der eigenen Leistung zu fürchten braucht, ist der angeschlagene Gasimporteur Uniper, aktuell in Bedrängnis, weil Lieferungen aus Russland ausbleiben. Wo das hohe Risiko einer Investition in der Energiewirtschaft drohte, zum Bankrott für ein "Unternehmen mit zentraler Bedeutung" (Lindner) zu führen, "stehen wir in der Verantwortung, die Gasversorgung in Deutschland sicherzustellen". Daher greift der Staat dem strauchelnden Konzern mit 15 Milliarden Euro unter die Arme. Ein Konzept, das der Ökonom Nouriel Roubini schon 2008, damals im Zuge der Bankenrettungen, als "Sozialismus für Reiche" bezeichnet hatte: Wo es Gewinne gibt, kommen sie Eigentümern und Anteilseignerinnen zugute. Steht ein systemrelevantes Unternehmen auf der Kippe, springt der Staat in die Bresche und die Verluste werden auf das Allgemeinwohl abgewälzt.
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Während die krisenbedingten Zusatzgewinne vorerst nicht angetastet werden, braucht es eine "faire Verteilung der Lasten auf viele Schultern", wie Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) betont. Und damit meint er die Hälfte der Haushalte in der Republik, die mit Gas heizen und ab Oktober eine neue Umlage zahlen. "Insgesamt könnten so die Mehrbelastungen für eine Familie bis zu 4000 Euro im Jahr ausmachen", rechnet ein Experte im "Tagesspiegel" vor, "also mehr als die Kosten eines mehrwöchigen Urlaubs." Glücklich, wer überhaupt verreisen kann: "Mehr als jeder fünfte Mensch in Deutschland (22,4 Prozent) hat zu wenig Geld, um sich einmal im Jahr einen einwöchigen Urlaub leisten zu können", war Ende Juli in der FAZ zu lesen.
Die Krisenlasten, die nun von vielen Schultern gestemmt werden müssen, treffen auf eine anfällige Gesellschaftsstruktur. Ein gutes Drittel der Haushalte in der Republik verfügt über keinerlei Rücklagen. Schon lange vor Krieg und Corona hat das untere Ende der Einkommensskala aufgehört, vom Wachstum zu profitieren: Für die weniger gut bezahlten 40 Prozent der Bevölkerung sind die Reallöhne im Vergleich zu 1991 gesunken. Das hat das Institut für Wirtschaftsforschung im April 2017 ermittelt – bevor eskalierende Inflationsraten das effektiv verfügbare Einkommen noch weiter zusammenschrumpfen ließen.
16 Kommentare verfügbar
Hans
am 14.08.2022Es zeigt sich, daß die…