Grundsätzlich ist der 1. Mai in Deutschland eine wohlorganisierte Demonstration der Gewerkschaften. Der Vorstand des DGB gibt ein Motto vor, das niemanden vor den Kopf stößt. In diesem Jahr "Ungebrochen solidarisch". Neben zentralen Kundgebungen, auf denen auch Politik reden darf, zum Beispiel Kanzler Olaf Scholz (SPD) in Koblenz, sorgen vor Ort die ehrenamtlichen DGB-Kreisvorstände dafür, dass etwas passiert. In der Regel: Kundgebung mit ein, zwei lokalen Redner:innen, Musik, rote Wurst, Bier. In manchen Orten wird noch durch die Stadt demonstriert. Nach drei Stunden ist die Angelegenheit vorbei und wer öfters mitgemacht hat, fragt sich Jahr für Jahr wieder: Kann das nicht spannender sein? Einerseits.
Andererseits: Die 1.-Mai-Veranstaltungen gerade in kleineren Orten wie Esslingen am Neckar sind immer auch politische Familienfeiern. Dort treffen sich Menschen wieder, die mal gemeinsam in mehr oder weniger linken Zusammenhängen gearbeitet haben. Rentner:innen, die in ihrem Arbeitsleben gewerkschaftlich aktiv waren, sehen einstige Kolleg:innen, örtliche Organisationen nutzen die Möglichkeiten, sich mittels Stand zu präsentieren. Auch das formt politisches Bewusstsein.
In Esslingen, einer Stadt mit 96.000 Einwohner:innen, kommen am 1. Mai um die 300 Frauen, Männer und ein paar Handvoll Kinder zusammen. Für die Kleinen ist das Spielmobil da, die zumeist älteren Erwachsenen stehen rum, suchen Bekannte, treffen Freunde auf ein Bier, wandern die Stände ab von Verdi, IG Metall, Frauen helfen Frauen, Foodsharing, Friedensbündnis, Linke und SPD. Manch einer sucht gezielt kostenloses Werbematerial wie Kugelschreiber, Taschentücher oder Brillenputztücher und wird schnell fündig.
2 Kommentare verfügbar
gerhard manthey
am 03.05.2023Die vor kurzem vorgelegte Studie der Hans-Böckler-Stiftung zur Tarifbindung und Arbeitszeit in deutschen Betrieben in Ost und West zeigt auf einen kurzen und wahrhaftigen Nenner gebracht, dass in den Betrieben, wo die gewerkschaftlich Organisierten ihren Arbeitgeber…