Pünktlich mit der Sonne kommen um 16 Uhr die Beschäftigten der Spätschicht aus der Fabrik. "Fünf, sechs, sieben, acht – mit Arbeit wird jetzt Schluss gemacht", singen alle im Chor. Die Produktion steht nun still, umso lauter wird es vor dem Gebäude der Bäckerbub GmbH im Reutlinger Industriegebiet Betzingen: Trillerpfeifen, Schlachtrufe, fröhliches Gelächter. Die Stimmung ist gut, die Lust zu streiken spürbar. "Neun, zehn – der Streik, der kann noch weitergeh'n."
Wie in so vielen Branchen derzeit, wird in der Brot- und Backwarenindustrie um mehr Lohn gekämpft und notfalls auch gewarnstreikt. So auch bei der Bäckerbub GmbH – einer Tochterfirma von Edeka-Südwest. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) fordert für ihre Mitglieder elf Prozent oder mindestens 350 Euro mehr im Monat bei einer tariflichen Laufzeit von zwölf Monaten. "Das ist eine angemessene Forderung. Ein Plus im Geldbeutel erreichen wir damit nicht, höchstens einen Inflationsausgleich", sagt der NGG-Landesbezirkssekretär Alexander Münchow. Um die 70 Mitarbeiter:innen sind an diesem Donnerstag in Reutlingen dem Warnstreikaufruf gefolgt, ausgestattet mit weiß-roten NGG-Fahnen und roten Trillerpfeifen. Unter den gelben Warnwesten und den dicken Jacken trägt ein Dutzend von ihnen noch die weißen Kittel, die in den Produktionshallen vorgeschrieben sind.
Am Ende des Monats ist nichts übrig
Steigende Mietpreise, teurere Lebensmittel, hohe Inflationsrate – wie viel bleibt denn am Ende des Monats vom Verdienten übrig? Nicht viel bis gar nichts, darin sind sich die Bäckerbub-Angestellten einig. Das Gegenangebot der Arbeitgeber vom ersten Verhandlungstermin am 27. Februar empfinden sie als "absolut inakzeptabel": 3,5 Prozent bei einer Laufzeit von zwei Jahren. "Das ist kein Angebot, sondern Erpressung", ruft Münchow ins Mikrofon. Auch in der zweiten Verhandlungsrunde an diesem Montag konnte man sich nicht einigen. Die Arbeitgeber boten vier Prozent ab Juli 2023 und weitere vier ab März 2024. Laufzeit – wie gehabt – 24 Monate. Und eine Inflationsausgleichsprämie in noch unbekannter Höhe. Das Angebot als "vollkommen unzureichend" empfindend, wollen die Bäckerbuben und -mädels weiterhin Druck machen, denn sie ließen sich "nicht mit Krümeln abspeisen", so Münchow. Bis zur nächsten Verhandlung am 2. Mai sind weitere Streiks angekündigt.
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