Im September wurde Diess überraschend gefeuert, und Porsche-Chef Oliver Blume übernahm in Personalunion in Wolfsburg. Blume hatte zuvor Schlagzeilen mit "Porsche Gate" gemacht: Er soll bei einer Betriebsversammlung am 29. Juni vor Mitarbeiter:innen gesagt haben, Porsche habe einen "sehr großen Anteil" daran gehabt, dass eine weitere Nutzung von synthetisch hergestellten E-Fuels für Verbrennungsmotoren "in den Koalitionsvertrag miteingeflossen" sei. "Da sind wir Haupttreiber gewesen, mit ganz engem Kontakt an die Koalitionsparteien. Der Christian Lindner hat mich in den letzten Tagen fast stündlich auf dem Laufenden gehalten", wurde Blume von Medien zitiert (später entschuldigte sich ein Porsche-Sprecher im Namen des Chefs für eine überspitzte Formulierung, eine Einflussnahme soll es nicht gegeben haben).
Unter Blume stieg Porsche in die E-Fuels-Produktion in Chile ein. Zwar wird Haru Oni zunächst nur 130.000 Liter pro Jahr liefern. Und diesen knappen Grünsprit will der Sportwagenbauer anfangs in "Leuchtturmprojekten" verbrauchen, etwa für den Rennsport beim Porsche Mobil 1 Supercup. In zwei Jahren soll der Ertrag dann auf rund 55 Millionen Liter steigen. Ab 2027 sollen es 550 Millionen Liter sein. Dann wird Porsche den E-Fuel wohl auch seinen 911er-Kunden anbieten. Der Antrieb des Klassikers lasse sich nicht auf Elektromotor umstellen, argumentiert der Hersteller.
Derweil importiert Chile massenweise fossiles Benzin
Weil die patagonische Öko-Tankstelle für Porsche-Fahrer wie Lindner unerreichbar ist, wird der E-Fuels-Grundstoff Methanol vom Hafen Punta Arenas rund 14.000 Kilometer quer über den Atlantik nach Europa geschippert. In der Karlsruher Miro-Raffinerie wird er zu Benzin verarbeitet – allerdings weitgehend unter Einsatz fossil erzeugter Energie.
Die große Entfernung zwischen Erzeugung und Verbrauch verhagelt die Klimabilanz zusätzlich, sagt der E-Auto-Experte Sepp Reitberger: "Die zwei Tankschiffe, die die Jahresproduktion von 550 Millionen Litern nach Europa transportieren, könnten auf ihrem Weg etwa 40 Tankern begegnen, die Erdöl nach Chile bringen." Derzeit importiere Chile Erdölprodukte in einer Menge, die rund zehn Milliarden Litern Benzin entspricht. "Es wäre also einfacher, effizienter und umweltfreundlicher, den erzeugten E-Treibstoff aus Haru Oni subventioniert in den chilenischen Markt zu geben – und Porsches in Deutschland weiter mit raffinierten Erdöl aus der Golfregion zu betreiben", sagt Reitberger. Dem Klima sei es schließlich egal, wo das CO2 emittiert wird.
Trotz dieser irren Bilanz: Für seine E-Fuels-Pläne hat Porsche bislang über 100 Millionen US-Dollar investiert. So kaufte sich der Konzern im vergangenen April mit 75 Millionen Dollar zu 11,5 Prozent bei der HIF Global ein, die Haru Oni betreibt. Das Unternehmen, an dem Ölmultis und Investmentfonds beteiligt sind, will weitere E-Fuels-Anlagen in Chile, USA und Australien bauen. Im US-Bundesstaat Texas soll ab 2027 eine Fabrik jährlich 750 Millionen Liter produzieren.
Über HIF Global könnte Porsche zum Großplayer auf dem E-Fuels-Markt werden. Entwicklungschef Steiner sitzt bereits im HIF-Vorstand. Die europäische Dependance in Berlin wird von bestens vernetzten Branchenkennern geführt. Armin Schnettler, einstiger Siemens-Manager und Professor an der RWTH Aachen, fungiert als Präsident. Als CEO wurde Thorsten Herdan verpflichtet, der bis Anfang 2022 die Abteilung II "Energiepolitik – Wärme und Effizienz" im Bundeswirtschaftsministerium führte. Zuvor arbeitete Herdan für den Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA) mit Schwerpunkt Verbrenner-Motoren.
Von der Regierung in die Lobby
Seit Kurzem hat HIF Global zudem politische Drähte in die Porsche-Stadt Stuttgart: Im Oktober heuerte Uwe Lahl als Berater an, der langjährige Amtschef von Landesverkehrsminister Hermann. "Versilbert er damit seine politischen Kontakte?", fragte die "Stuttgarter Zeitung" den Minister. Der wiegelte ab: "Uwe Lahl ist 71 und genießt sein Leben als mehrfacher Großvater. Ihm geht es nicht um Geld, und es ist sicher kein hochbezahlter Beraterjob. Er will etwas für den Klimaschutz tun, daran ist nichts Verwerfliches." Zwischen Lahls Tätigkeit für das Verkehrsministerium und seinem Job bei HIF lägen etwa 15,5 Monate, ergänzt Hermanns Sprecherin.
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Michael Just
am 14.01.2023