Harald Schwarz, Leiter des Lehrstuhls Energieverteilung und Hochspannungstechnik an der TU in Cottbus, spricht zur "Energiewendebilanz im Stromsektor". Nachts gibt's keine Sonne, sagt er, bei Flaute keinen Wind, er zeigt Statistiken, wie oft in Deutschland Strom zugekauft werden muss, um das Netz stabil zu halten, und berichtet von seinem Übungszentrum für Stadtwerke, in dem Techniker den Netzwiederaufbau im Falle eines Blackouts üben würden. Er plädiert dafür, mehr Geld in Forschung zur Speichertechnologie zu investieren. Die Energiewende bezeichnet er als ideologiegetrieben.
Sauberer Diesel, gute Atomkraft
Dann tritt – ungeplant – Alexander Wendt ans Mikrofon, der sprechen darf, solange er seinen Vortrag "mit einer Frage abrunde", was er dann aber vergisst. Wendt war mal "Focus"-Redakteur, ist zu "Tichys Einblick" gewechselt und hat einen eigenen Blog. 2018 unterzeichnete Wendt eine "Gemeinsame Erklärung" derer, die da "mit Befremden beobachten, wie Deutschland durch die illegale Masseneinwanderung beschädigt wird". Initiiert hat die Erklärung die ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin und heute Neurechte Vera Lengsfeld (Werte-Union), deren Sohn Philipp (ehemals Werte-Union) in Stuttgart im Publikum sitzt. Wendt beklagt bitterlich, dass die Medien in Sachen Klima nur Freund und Feind kennen würden und die Energiewendeberichterstattung unter moralischer Überhöhung leide, was zur erregten Publikumsfrage "wie viel Macht steckt in einem 16-jährigen Mädchen!?" führt.
Nicht genügend gehört fühlt sich auch Thomas Koch, Leiter des Instituts für Kolbenmaschinen am Karlsruher Institut für Technologie, der zuvor zehn Jahre bei Daimler an Verbrennungsmotoren gearbeitet hat. Zuletzt war er breit in den Medien vertreten mit einem offenen Brief über den CO2-Ausstoß von Elektroautos, der höher ausfalle als angenommen. Er dankt erstmal allen, "dass Sie sich getraut haben, eine solche Veranstaltung auf die Beine zu stellen". Der Diesel, sagt er dann, sei sauber. Würde man in seinem Auspuff wohnen, wäre da bessere Luft als im Kölner Dom.
Anschließend wird für Atomkraft geworben. Veronika Wendland sitzt im Publikum, Bahnfahrerin und Technik-Historikerin, die als Verfechterin von Kernkraft zum Klimaschutz durch alle Medien gereicht wird. "Menschen verhandeln über Technik, wie sie leben wollen", sagt sie, man müsse darüber nachdenken, ob man individuelle Mobilität in Zukunft überhaupt noch brauche. Koch kann da sogar mitgehen. Ja, sagt er, aber dann muss es die Politik auch so kommunizieren, alles andere seien "unerträgliche Lügen."
Horst-Michael Prasser, emeritierter Professor für Kernenergiesysteme von der ETH Zürich, erzählt, in der Schweiz sehe er die Gletscher schmelzen, "eine Verringerung von CO2 kann nicht schnell genug vorankommen". Seine Vision sei immer gewesen, dass die Atomenergie irgendwann Kohle ablöst und den Rest die Regenerativen besorgen würden. Dann kam Fukushima und der Atomausstieg. Tatsächlich sei Kernschmelze nur eines der Sicherheitsprobleme bei AKWs, er berichtet von diversen unguten Un- und Störfällen im Ausland, die man nicht miterleben wolle, und präsentiert dann Technologien, wie Kernkraftwerke sicherer gemacht werden könnten.
Als letzte Referentin des Tages berichtet Veronika Wendland, sie habe früher gegen Atmokraft demonstriert, weil zu linker Sozialisation auch die AKW-Gegnerschaft gehöre. Nun spricht sie über Angstdiskurse: etwa den, mit dem die Atomkraft belegt sei, den der Fridays, den zu Blackouts und den der Windkraftgegner, die immer von Infraschall und Vogelsterben berichten würden. Da kommt Fritz Vahrenholt im Publikum in Wallung, weil unter anderem mit diesen Argumenten der Verein Vernunftkraft agiert. Verbrenner-Techniker Koch sagt, ein Blackout sei wohl der einzige Ausweg aus all der vorherrschenden Ideologie, vielleicht würde dann endlich gehandelt.
7 Kommentare verfügbar
Philipp Lengsfeld
am 12.08.2022(bin erst vor zwei Tagen auf diesen ausführlichen Bericht über die exzellente wissenschaftliche Tagung „20 Jahre Energiewende“ von Prof. Thess gestoßen, bei der ich als regulärer Tagungsteilnehmer anwesend war.)
Der sehr ausführliche, mit Details…