Mindestens genauso spannend wäre zu ergründen, was sich Strobl und sein Verhandlungsteam mit Fraktionschef Manuel Hagel an der Spitze eigentlich dabei dachten, als sie schon im Sondierungspapier folgenden Satz unterschrieben: "Für diejenigen, die viele Jahre im Land, nicht straffällig geworden und gut integriert sind, alle Möglichkeiten im Land zu nutzen, um ein Bleiberecht zu ermöglichen". Die grünen Koalitionspartner hätten wohl besser noch ein "unverzüglich" in den Satz hineinverhandelt, so aber ist wenig passiert. Circa zehntausend Briefe wurden verschickt an Menschen mit einer Beschäftigungserlaubnis, um, wie es aus dem für Migration zuständigen Justizministerium heißt, "auch dem Interesse unserer Wirtschaft Rechnung zu tragen, die auf verlässliche Bleiberechte ihrer bislang geduldeten Mitarbeiter setzt". Aber selbst das ist schon fast ein Jahr her.
Das alte Lied vom Pullfaktor
Jetzt hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ihre Gesetzesinitiative vorgelegt. Und die Südwest-CDU müsste ihr eigentlich ein Dankschreiben zusenden, weil die Gespräche mit den Grünen hierzulande seit Monaten festhängen. Stattdessen packt Alexander Throm, der Heilbronner Bundestagsabgeordnete und langjährige Strobl-Kumpel, das alte Lied von den sogenannten Pull-Faktoren aus: Die Pläne der Ampel würden "einen massiven Anreiz für unerlaubte Migration nach Deutschland" schaffen, klagte der frühere Landtagsabgeordnete, der mit Strobl in einer Rechtsanwaltskanzlei sitzt. Auf diese Weise werde "das Asylrecht ausgehebelt".
Dabei macht die hessische Sozialdemokratin endlich das, was seit Jahrzehnten vielen Geflüchteten vorenthalten wird: In den Achtziger-Jahren den Flüchtlingen vor dem iranischen Ayatollah-Regime, in den Neunzigern jenen aus Ex-Jugoslawien und seit zehn Jahren viel zu vielen Migrant:innen aus Kriegsgebieten. Wer fünf Jahre oder länger gut integriert in Deutschland lebt – Stichtag 1. Januar 2022 –, kann einen "Spurwechsel" vornehmen, von der im Asylrecht geregelten Duldung hin zur Aufenthaltserlaubnis. Das gilt für mehr als 100.000 Menschen in der Republik. Weil sie aber ohnehin in Lohn und Brot sind, wird das Flughafenproblem so auch nicht gelöst.
Auf die Schnelle ist es ohnehin nicht zu lösen, geschweige denn so, wie die Union sich das vorstellt in ihrem Antrag, den der Bundestag schon abgelehnt hat. Danach sollte sich die Ampelkoalition direkt ins operative Geschäft der Flughäfen einmischen. Wie groß das Geschrei bei CDU und CSU wohl gewesen wäre, hätte die rot-grün-gelbe Bundesregierung von sich aus derart dirigistische Konzepte entwickelt. Und natürlich dürfen – völlig zu Recht – bei der Anwerbung aus dem Ausland keine Abstriche bei der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeitsüberprüfung gemacht werden. Deshalb, sagt der Chef des internationalen Flughafenverbands ACI, Oliver Jankovec, sei der Schalter nicht einfach umzulegen: "Wir können nicht Personal einstellen wie ein Supermarkt."
Apropos ACI. Der hat gerade den alljährlichen Award an den "Best European Airport" vergeben. Gekürt wurde nicht zum ersten Mal die österreichische Bundeshauptstadt, wo einer der wenigen börsennotierten Flughäfen Europas liegt, der zu 50 Prozent in der Hand der Länder Wien und Niederösterreich sowie der Beschäftigten ist. Ausdrücklich hervorgehoben sind die "hohe Zuverlässigkeit und Servicequalität". In der Pandemie wurden alle 1.400 Mitarbeiter:innen in der Bodenabfertigung gehalten, es gibt weder Auslagerungen noch Dumpinglöhne: Das gesamte Sicherheitspersonal und sogar alle Reinigungskräfte sind Angestellte der Flughafen-AG. Viele von ihnen mit Zuwanderungsbiographie und österreichischem Pass. Die Verkehr- und Migrationsexpert:innen der Union könnten zum Lokalaugenschein aufbrechen. Am besten mit der Bahn.
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am 17.07.2022