Die Fenster des barocken Gebäudes zählen die Tage bis zum Heiligen Abend. Über dem Eingangsportal hängt, wie könnte es anders sein, die Ziffer 24. Das Schwäbisch Gmünder Rathaus hat sich als Adventskalender verkleidet. Draußen drängen sich die Weihnachtsbuden mit den obligatorischen Holzfiguren, mit Glaskugeln, Glühwein und Traumfängern. Drinnen ruft der OB in die Runde: "Möchte wer gendergerechten Kaffee?" Jour fixe im Amtszimmer des Oberbürgermeisters. Einmal in der Woche treffen sich hier alle, die gemeinsam mit Richard Arnold (CDU) den Gmünder Weg gestalten: Die Leiterin des Ausländeramts, der Mann vom Wohnungsamt, Vertreter des Sozialamts und, last but not least, Franka Zanek, die Leiterin der Projektstelle für Integration und Flüchtlinge mit dem hübschen Namen "Pfiff". Der Sekretär aus dem Vorzimmer serviert grinsend den gendergerechten Kaffee. Es kann losgehen.
In Schwäbisch Gmünd ist Flüchtlingspolitik Chefsache. Der Jour fixe im gediegenen Amtszimmer gehört ebenso dazu wie die Einrichtung des Pfiff vor zwei Jahren und die spektakulären Aktionen, die den Gmünder Weg in der ganzen Republik bekannt gemacht haben. Dem Rathauschef ist jedes Mittel recht, denn er hat ein ambitioniertes Ziel: Nur wer willkommen ist, die Sprache versteht, wer Arbeit oder Ausbildung findet, menschenwürdig wohnt und sich ehrenamtlich engagiert, kommt in einem Land an. So simpel wie einleuchtend ist der Gmünder Fünf-Stufen-Plan. Er bedeutet Integration im Netzwerk.
Kommunale Flüchtlingspolitik mit Pfiff
Bekannt wurde Schwäbisch Gmünd mit der umstrittenen Gepäckträgeraktion 2013. Arnold warb Flüchtlinge als Gepäckträger am Bahnhof an. Für einen Euro Stundenlohn schleppten sie die Koffer über eine Behelfstreppe, sie hatten eine Aufgabe und die Fahrgäste tatkräftige Hilfe. Doch der Shitstorm im Netz bereitete der Aktion ein schnelles Ende. Von kolonialen Verhältnissen und Sklaverei war die Rede, die Bahn kündigte die Zusammenarbeit. Ein Jahr später gab es ein Lob der damaligen Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) und einen Scheck für eine Aktion bei der Landesgartenschau: Geflüchtete arbeiteten als Freiwillige beim Kartenabreißen, sie erklärten den Weg zur Toilette und die Besonderheiten der Blumen. Und auch die sechs Geflüchteten, die in der Gmünder Feuerwehr eine Grundausbildung begannen, schafften es in die überregionalen Medien. Auch das eine Idee von Arnold. "Wer etwas bekommt, soll auch etwas zurückgeben", sagt der OB.
Richard Arnold weiß nicht nur, wie man sich öffentlichkeitswirksam in Szene setzt. Er ist auch ein gewiefter Menschenfänger und begeisterter Netzwerker. Und er kennt die Niederungen des kommunalen Alltags. Die bekommt der 58-Jährige konzentriert bei diesem vorweihnachtlichen Jour fixe serviert. Doch gut gelaunt erzählt der OB von seinen Abenteuern in den Anden, der Armut in Peru, prahlt mit den Wirtschaftsgrößen, die er getroffen hat, jetzt, bei seiner dreiwöchigen Reise nach Südamerika. Kurze Aufwärmphase bevor's losgeht, der Mann weiß, wie man ein produktives Arbeitsklima schafft.
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Rolf Steiner
am 26.12.2017