"Außerhalb unseres Hauses hat noch niemand eine Zeile gelesen", sagt die Sprecherin des Münchner Siedler Verlags, der zur Random-House-Gruppe von Bertelsmann gehört. Ein Termin für die Präsentation der Neuerscheinung stehe allerdings fest: Am 3. August wird das Werk des Tübinger Oberbürgermeisters im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin vorgestellt.
Das sind exakt 50 Tage vor der Bundestagswahl. Und die Ankündigungstexte lassen erahnen, wie der 45-jährige Querkopf seinen Parteifreunden die Performance im Wahlkampf ordentlich zu verhageln gedenkt. Anstatt sich wie Winfried Kretschmann in der Flüchtlingspolitik an Angela Merkels Seite zu stellen – aus Demoskopensicht mit die Basis seines Wahlerfolgs im März 2016 –, polemisiert Palmer gegen die Kanzlerin, die "hunderttausende Flüchtlinge ins Land ließ". Er verspricht, "Probleme offen zu benennen", und "den Rechtspopulisten das Wasser abzugraben". Das sagt sich so leicht dahin. Tatsächlich leiten solche Sätze wahre Sturzbäche auf deren Mühlen.
Palmer kennt nur einen Realisten: sich selbst
Baden-Württembergs Innenministerium weist die Zugangszahlen für Kalenderwochen aus. 2015 wurde in der KW 32 mit der Registrierung von 3700 Einreisenden eine vorläufige Höchstmarke erreicht. (Nur zum Vergleich: In den süditalienischen Häfen kommen zurzeit pro Woche dreimal so viel Menschen an.) Statt ins grüne Parteiprogramm zu schauen oder sich als Kommunalpolitiker der seriösen Aufklärung der Bürgerschaft zu verschreiben, stürzte sich Palmer damals in eine unsägliche Realismus-Debatte, die im Wesentlichen nur einen Realisten kennt: ihn selbst.
Die Umdeutung des Begriffs zur Illustration angeblich unhaltbarer Zustände im Land findet jetzt ihren vorläufigen Höhepunkt in brisanten 240 Seiten, mit denen der Autor Furore und Auflage zu machen hofft. "Wenn Sie Weihnachtsbäume verkaufen wollen, fangen Sie damit auch nicht drei Tage nach Heiligabend an", sagt er in einem der Interviews, die schon vor dem Erscheinungstag öffentliche Aufmerksamkeit wecken sollen, "und wenn Sie ein politisches Buch veröffentlichen, tun Sie das vor einer Wahl und nicht danach, weil davor das politische Interesse größer ist." Generell empfehle er: "Erst das Buch lesen, und es dann kritisieren."
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Georg Cantor
am 11.07.2017