Der in Dresden produzierende Chiphersteller Globalfoundries erklärte im "Handelsblatt": Es sei derzeit nicht einfach, einen Ingenieur aus dem Ausland davon zu überzeugen, nach Sachsen zu ziehen und seine Familie mitzubringen. "Wir müssen ihm erklären, dass die Region Dresden sicher ist, dass Kinder alleine zur Schule gehen können und man durch das Tragen eines Kopftuches nicht ausgegrenzt wird."
Eine auf der Befragung von 600 Unternehmen beruhende Studie aus Halle kam zu dem Ergebnis, ostdeutsche Betriebe bekämen sechsmal mehr Absagen in Bewerbungsgespräche als westdeutsche Firmen. Rassismus macht das Geschäft kaputt. Die Studie stammt aus einer Zeit, als der sogenannte Fachkräftemangel noch gar nicht richtig akut war. Die Verhältnisse im deutschen Osten dürften sich kaum verbessert haben.
"Wir müssen aufpassen, dass wir die Menschen nicht komplett an die Radikalen verlieren", so der Chef von Jenoptik. "Ich sehe schon das Risiko, dass unsere Demokratie hier in Gefahr geraten könnte", sagte er neulich der "Süddeutschen Zeitung". Der Konzernchef interpretiert seine wirtschaftlichen Zahlen politisch – und dabei kommt nichts Erbauliches heraus. In der optischen Industrie wird es sich wie in den großen, tonangebenden Branchen verhalten: Mehr als die Hälfte der Beschäftigten sind dem Exportgeschäft zuzuordnen, und die Länder der Europäischen Union sind so wichtig wie der chinesische oder der US-amerikanische Markt. Nationalistische Töne, wie sie auf dem AfD-Parteitag in Magdeburg zu hören waren, klingen in den Ohren der Unternehmer ganz schrill.
Bosse müssen Farbe bekennen
Man kontrastiere die Sicht der Wirtschaftsvertreter:innen mit dem Weltbild der in der Mittestudie erfassten Befragten: 18 Prozent der Ostdeutschen sehen sich als Mitglieder einer Nation an, die anderen überlegen ist. Neun Prozent der Westdeutschen unterliegen dem gleichen Wahn. Mut zu einem starken Nationalbewusstsein wünschen sich 41 Prozent der Ost- und 33 Prozent der Westdeutschen. "Hart und energisch" möchten 28 Prozent der Ost- und 18 Prozent der Westdeutschen die Interessen Deutschlands durchgesetzt sehen. Mehr als 50 Prozent der Befragten mit der Parteipräferenz AfD stehen zu ihrem "Ausländer raus".
Ein Ende der Europäischen Union und ihrer gemeinsamen Währung wäre das Ende der Ambition, in der ökonomischen Champions League mitzuspielen. Den drohenden Abstieg den AfD-Anhänger:innen unter die Nase zu reiben, ist das einzige Argument, das sie überzeugen kann. Das Argument ist im Wortsinn natürlich keines: Wäre die AfD-Propaganda rational angelegt, könnte man sich auf Argument und Widerlegung beschränken. Aber Parteitagsbeschlüsse sind nur die Oberfläche, hinter der die psychische Schicht liegt, an welche die Hetzpropaganda anknüpfen will. Die AfD-Propagandist:innen haben einen feinen Instinkt für die niedrigen Instinkte, die in den Individuen schlummern.
4 Kommentare verfügbar
Bodo Sinn
am 17.08.2023Wenn man davon ausgeht, daß der Großteil der AFD-Wähler sich wirtschaftlich abgehängt fühlen, ist da nicht eine Politik verantwortlich, die eher Aktienkurse und Dividenden im Fokus hat, als der…