Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) waltete ihres Amtes und fand reichlich milde Worte für Bernd Grimmer, den kurz zuvor an Corona verstorbenen Pforzheimer AfD-Abgeordneten. Ihre Devise: De mortuis nil nisi bene – über Verstorbene sage nur Gutes. Frau hätte ihm auch etwas ganz anderes nachrufen können, denn der 71-jährige Impfverweigerer war einer der heftigsten Streiter gegen das, was er für Genderwahn hielt, und über das Bemühen um gleichberechtigende Sprache fiel er her mit geschmacklosen Vergleichen: "Dann müsste man ja 'Gauleiter*innen' und 'KZ-Aufsichtsperson' sagen." Dem baden-württembergischen Innenminister Thomas Strobl (CDU) schrieb er "einen methodisch faschistoiden Charakter" zu, nachdem der sich sehr zu Recht darüber empört hatte, wie eine Elfjährige auf einer Demo von Corona-LeugnerInnen Parallelen zog zwischen Anne Frank und sich selbst.
Obwohl Grimmer bei der vorübergenden Spaltung der Fraktion in der Truppe der Hardliner um Wolfgang Gedeon geblieben war, galt er als einer der Maßvolleren im AfD-Spektrum. Sein Zweitkandidat, der nun in den Südwest-Landtag nachrücken soll, kann das auf keinen Fall von sich behaupten. Alfred Bamberger hatte 2016 in einem später wieder gelöschten Facebook-Beitrag Brandanschläge auf Geflüchtetenunterkünfte mit zivilem Ungehorsam in Verbindung gebracht. Wörtlich hieß es: "Ist es nicht so, dass den Anwohnern oder Bewohnern einer Kommune alternativlos eine Einrichtung vor die Nase gesetzt wird, die sie einfach nicht haben wollen, und sie deshalb in Form von zivilem Ungehorsam die geplanten Flüchtlingsunterkünfte einfach abfackeln?"
Deshalb sorgt Bamberger schon für eine beispiellose Reaktion der Fraktionsvorsitzenden von Grünen, CDU, SPD und FDP, noch ehe endgültig geklärt ist, ob er das Mandat annimmt, oder ob es auf einen anderen Wahlkreis im Regierungsbezirk Karlsruhe übergeht. "Wer zynische Witze auf brennende Flüchtlingsheime macht, hat im Landtag nichts verloren", so Andreas Schwarz (Grüne). "Dass die AfD der parlamentarische Arm kruder Weltanschauungen und Verschwörungstheorien ist, ist Tatsache", ergänzt Manuel Hagel (CDU), "die Aufnahme Bambergers wäre aber selbst für die Rechtsaußen-Fraktion ein Tabubruch." Für die SPD erwartet Andreas Stoch, dass es der Verfassungsschutz mit Interesse zur Kenntnis nehmen werde, sollte Bamberger doch einziehen. Und Hans-Ulrich Rülke (FDP) sieht für diesen Fall "die Dämme zum Radikalismus gebrochen".
Zunächst einmal hat die unmissverständliche Positionierung der vier Fraktionschefs dazu geführt, dass sich die Reihen am rechten Rand geschlossen haben. AfD-Fraktionschef Bernd Gögel nennt es "unterirdisch" und "pietätlos, wie man sich wenige Stunden nach dem Versterben eines Abgeordneten um einen solchen Mist wie die Nachfolgeregelung Gedanken macht". Tatsächlich ist die aber auch parteiintern ein Thema. Grimmer selber hatte Bambergers Facebook-Eintrag seinerzeit heruntergespielt als "missglückte Analyse". Bamberger sei Bayer, sagte er in einem "Spiegel"-Gespräch, es gebe manchmal verbale Fehltritte, das liege aber an mangelnder Erfahrung. Seine Leute überlegten eben nicht immer sorgfältig, "was man aus ihrem Satz machen kann".
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