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Rechte Bauern feiern in Biberach

Ballweg und Ballermann

Rechte Bauern feiern in Biberach: Ballweg und Ballermann
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Seit den Krawallen in Biberach am Aschermittwoch 2024 stehen oberschwäbische Bauern im Verdacht, weiter nach rechts zu rücken. Mit ihrer "Party des Volkes" am vergangenen Sonntag im Eventlokal "Endstation" haben sie den Eindruck verstärkt.

Der Bauer in und um Biberach hat derzeit ein Imageproblem. Spätestens nach den Krawallen am 14. Februar 2024, dem Politischen Aschermittwoch der Grünen, als Steine flogen, Strohhaufen brannten und die Polizei forsch mit Pfefferspray konterte, weiß man nicht mehr so recht, wo der Landwirt steht. Im Stall oder auf dem Hof der AfD, der Reichsbürger und Querdenker – oder noch schlimmeren Gesellen? Der gegenwärtige Befund lautet: Es gibt Schnittmengen. Siehe dazu auch die verdienstvolle Recherche der Kollegen von der "Waiblinger Kreiszeitung".

Keine Woche nach den Biberacher Krawallen trat der Rechtspopulist Anthony Lee, Sprecher des Vereins "Landwirtschaft verbindet Deutschland", in der Viehversteigerungshalle von Bad Waldsee auf. Eingeladen vom Braunviehforum und der Rinder-Union Baden-Württemberg. Bekannt geworden ist sein Klub durch Traktorendemos mit AfD-Plakaten, gerne auch geschmückt mit Galgen und Schlingen. Der frühere Polizist Lee ist der Social-Media-Star des Bauernprotests, den er mit Aussagen wie diesen füttert: Die Politiker wollen unser Land, um darauf Häuser für Flüchtlinge zu bauen. Die "Schwäbische Zeitung" berichtete, der "umstrittene Bauern-Führer" sei von 1.000 Zuhörern "euphorisch beklatscht" worden.

Nur Spaß: kein Zutritt für Rechtsradikale

Ein knappes Jahr später. "Kein Zutritt für Rechtsradikale" – mit diesem Spruch empfängt die Security am vergangenen Sonntag vor dem Eventlokal "Endstation" am Biberacher Gigelberg. Breites Grinsen in den Gesichtern der jungen und mittelalten Leute, die zur "Party des Volkes" beziehungsweise "Mittelstands-Party" kommen, wie es die Organisatoren nennen. Einer trägt einen Hoodie der Heavy-Metal-Band "Weimar", deren Mitglieder laut "Spiegel" der thüringischen Neonaziszene entstammen. Geladen sind Bauern, Handwerker, Spediteure – alle, die anpacken können, sagen die Veranstalter. Unter ihnen befindet sich auch Ernst Buck, der Vorsitzende des Kreisbauernverbandes Ulm-Ehingen und Vorstandsmitglied im Landesbauernverband. Mit ihm wird noch zu sprechen sein.

Die "Endstation" ("Wir gehen steil") hieß früher "Schwanenkeller", war Rückzugsort der leicht rebellischen Jugend und schon immer ein schmuckloser Ort. Heute ist sie eigentlich nur noch verratzt. Viele Bretter drinnen, eine Discokugel und viel Feuerholz draußen, weil es kalt ist. Der DJ legt Wolfgang Petry auf, eine Schlagergröße aus den 1990er-Jahren. Das Publikum ist textsicher zwischen "Du hast mich einfach flachgelegt" und "Ich mache dir den Hampelmann", und würde man nicht wissen, dass Schnee vor der Tür liegt, könnte man auf die Idee kommen, der Ballermann wäre am Gigelberg. Das Bier fließt reichlich.

Unter den rund 200 Gästen ist auch ein Gemeinderat von der FDP. Es handele sich hier um die "Jugend aus dem Umland", vermutet der Liberale Oliver Lukner, der ausloten will, was hier los ist. Politisch betrachtet. Die Tatsache, dass die AfD noch nicht im Biberacher Ratssaal vertreten ist, erfüllt ihn mit Zuversicht. Die Gespräche um ihn herum haken sich an der Erzählung fest, dass man in Deutschland nicht mehr sagen könne, was man wolle.

Die Erlaubnis zu fotografieren hat ein Mitarbeiter des Überlinger Online-Portals "Stattzeitung.org", das auch als Alice-Weidel-Jubelforum durchgehen könnte. Gegründet und gemacht von einer ehemaligen Mitarbeiterin der Tageszeitung "Südkurier", die sich den Künstlernamen Stef Manzini zugelegt hat. In ihrem Organ wird die AfD-Chefin über Seiten hinweg in lichte Höhen gehoben, begleitet von Beatrix von Storch und Impfkritiker Wolfgang Wodarg, der inzwischen bei der Partei "Die Basis" zu Hause ist, dem politischen Arm der Querdenker-Bewegung. Warnungen vor Windrädern, die eine "gigantische Maschinerie der Gesundheitszerstörung" darstellen, sind auch im Angebot. Es gehe darum, die "Wahrheit ans Licht zu zerren", formuliert Frau Manzini den Anspruch ihres Portals. Manchmal geht die Medienwelt wundersame Wege.

In der "Endstation" feiert die versammelte Rechte

Eine Kennerin der Szene und begeisterte Leserin schaut in der Runde herum und sagt, hier seien alle versammelt: Fans von Querdenker-Guru Michael Ballweg, schlichte Ballermänner, Reichsbürger und AfD-Anhänger. Bei den Querdenkern sieht sie das größte Potenzial. Sie bilden ein stabiles Reservoir in Oberschwaben, wo sie sich zu Corona-Zeiten formierten (Kontext berichtete).

Ebenfalls vor Ort ist Made Höld, Erfinder der Bewegung "Oberschwaben ist bunt", Antifaschist und Aktivist seit Jahrzehnten. Er sieht in der "Endstation" schon die Geburtsstunde eines "rechten Hotspots" in der Region am Horizont heraufziehen. Darüber wiederum wundert sich Andreas Kopf, der Eigentümer des Etablissements. Er versteht die ganze Aufregung nicht und fragt, ob ihm etwas entgangen sei? Er will es ausgerechnet von Made Höld wissen, der seinerseits von Kopf wissen will, warum er eine Veranstaltung für "viele Rechtsradikale" mache, die an den "militanten Protesten" am Aschermittwoch teilgenommen hätten und einer "Party des Volkes" nicht abgeneigt seien?

Sei's drum. Kopf lädt den Antifaschisten Höld zu einem "gemütlichen Austausch" in seine Lokalität ein, der dazu keine Lust verspürt. Er muss sich auf einen Prozess gegen die Vereinigung "Bürger-Bauern-Mittelstand" (BBM) vorbereiten, die ihn wegen Beleidigung, übler Nachrede und Verleumdung angezeigt hat und die für ihn zu den Party-Mitveranstaltern zählt. Die BBM ist aus dem Stand in den Ravensburger Kreistag eingerückt, gegen Windkraft und für eine "verständliche deutsche Sprache". Die "souveräne Selbstbestimmung" der EU-Mitgliedsstaaten liegt ihr ebenfalls am Herzen. Sich selbst sieht das Bündnis als Gegner rechts- wie linksextremistischer Neigungen.

Die Bauern sind Opfer. Sagen sie

Andreas Kopf von der "Endstation", ausschließlich umsatzorientiert, wie es in der Branche heißt, schreibt auch an das Biberacher Online-Portal "Weberberg", um zu erfahren, worum es eigentlich geht. Dort berichtet der Journalist Uli Stöckle regelmäßig über die Strafverfahren gegen die auffällig gewordenen Bauern. Sämtliche Beteiligte vermittelten den Eindruck, notiert der Beobachter, sie seien "zufällig", mehr oder minder "unbeteiligt und unbescholten" in das Handgemenge geraten. Also Opfer der Umstände. Oder es sei ihr gutes Recht gewesen, sich den polizeilichen Anordnungen zu widersetzen. Also Opfer der Staatsgewalt. Allerdings mochte das Amtsgericht Biberach ihrer Argumentation nicht folgen und verurteilte gut 20 Angeklagte zu Geldstrafen zwischen 2.000 und 4.000 Euro. Interessant dabei: Keiner der Verurteilten machte konkrete Angaben zu seinem Einkommen, was das Gericht zum Schätzen der Tagessätze zwang.

In diesem Zusammenhang erinnert Stöckle an die Prozesse gegen die Klimakleber der "Letzten Generation", gegen die auch Traktorfahrer handgreiflich wurden. Die Klimaaktivisten wurden mit fünfstelligen Strafen belegt beziehungsweise in den Knast geschickt. Dies scheint gesellschaftlich tolerierbar und normal zu sein, folgert der "Weberberg"-Verantwortliche, während der Nebenerwerbslandwirt Martin G., der im Biberacher Fall auch noch verbeamteter Lehrer ist, vor Gericht plötzlich als Opfer von Behördenwillkür betrachtet werden soll.

Für Leute wie ihn wird jetzt gesammelt. Unter dem Spendenaufruf für die Verurteilten ("Jeder Beitrag zählt"), bestückt mit einer Kontonummer bei der VR-Bank Alb-Blau-Donau, steht als Ansprechpartner der oben erwähnte Vorsitzende des Kreisbauernverbandes Ernst Buck. Der 60-jährige Landwirt aus dem 279-Einwohner-Dorf Holzkirch im Alb-Donau-Kreis ist nicht irgendwer. Ausweislich der "Stuttgarter Zeitung" gilt er als einer der "Vorzeigebauern" im Land. 1.200 Schweine, 120 Hektar Land, Blühstreifen, Fernsehauftritte, CDU-Mitglied.

Alles "rechte Kerle", sagt der Bauernchef

In der "Endstation" will er zunächst nichts sagen, weil Medienpersonal mit Vorsicht zu genießen ist, dann aber spricht er frei heraus, tippt an die Bierflasche und fragt, ob ich wisse, woher die Gerste kommt, die drin ist? Keine Ahnung. Na, irgendwo aus Europa eben, woher genau, wisse wahrscheinlich nur der liebe Gott. Das ist dann der Auftakt zu einem ausführlichen Brüssel-Schimpf, dessen Wortwahl nicht zitiert werden muss, da allgemein bekannt (und aus der Sicht eines kleinen Landwirts auch verständlich), führt über das Freihandelsabkommen Mercosur, das er seiner Parteifreundin von der Leyen übel nimmt, und mündet in einer Generalkritik an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne), der nach seinem Dafürhalten nichts auf die Reihe gekriegt hat.

Nichts kommen lässt er auf seine Protestkameraden. Das seien alles "rechte Kerle", hält Buck fest, wobei den des Schwäbischen Unkundigen gesagt werden muss, dass das keine politische Standortbestimmung ist. Es bedeutet einfach, dass er sich von anständigen Menschen umgeben fühlt, hier in der "Endstation" und anderswo in und um Biberach. Diesen Umstand seinem Verband, im Land wie im Bund, zu vermitteln, gestaltet sich offensichtlich schwierig. Beide distanzieren sich "ganz klar" von den Krawallbauern, Gewalt sei für sie ein "No-Go". Seitdem zieht es Buck vor zu sagen, auf diesem Feld engagiere er sich als "Privatperson".

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7 Kommentare verfügbar

  • Bernd
    vor 6 Tagen
    Antworten
    Wann raffen es die Leute und bemerken die Entwicklung ?
    1. Junge Menschen leben in Wohlstand auf und möchten ihn behalten und nicht anpacken sondern genießen
    2. Der Wohlstand wurde und wird von Gastarbeitern, Auslandsdeutschen aus Russland, Ex Jugoslawen usw in der Export Industrie erwirtschaftet…
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Ausgabe 720 / Weiter so, Elon! / Cornelius W. M. Oettle / vor 9 Stunden 57 Minuten
Danke, werd ich mir gleich mal anhören!




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