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Wachsam sein

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Ein bisschen mehr Mühe hätten sich die Betrüger schon geben können. Unsere Redakteurin Gesa von Leesen hat eine dieser SMS bekommen, in denen irgendwer sie auffordert, eine WhatsApp-Nachricht an eine bestimmte Telefonnummer zu senden. Wie man weiß, geht es dann um Geld, das man irgendwem überweisen soll, meist Sohn oder Tochter. Die Verwandtschaft sei liegengeblieben mit dem Auto, das Handy mit der Banking-App sei aus Versehen mitgewaschen worden, oder so ähnlich. Klappt ja erschreckend oft. Aber in der SMS an die Kollegin steht gendersensibel "Hallo Mama/Papa, ruf an". Da hat sich nicht einmal mehr jemand eine halbseidene Geschichte ausgedacht. Friedrich Merz und Christian Lindner haben also doch recht: Die Leut' sind faul. Sogar die Betrüger.

Nicht faul sind die Rechtsextremen. Da brennt der Busch vor lauter Tatkraft. Und überall sind die Willigen, die fleißig die Steigbügel halten. Da kann die Demokratie theoretisch noch so wehrhaft sein: Wo die Mühlen der Aufmerksamkeitsökonomie mahlen und am Horizont auch nur ein winziger Streifen an Machtaussicht erscheint, stehen Konservative bereit, den Rechtsextremen in die Sättel zu helfen. Die "Welt am Sonntag" hat erst – und sehr erfolgreich – den irrlichternden Multimilliardär Elon Musk auf den medialen Gaul gelupft, der die AfD zu wählen empfiehlt. Abwarten, ob es nur bei der Empfehlung bleibt – die Partei des britischen Rechtspopulisten Nigel Farage massiv finanziell zu unterstützen, hat Musk bereits angekündigt. Geld für andere Rechte hätte er jedenfalls noch genug: Laut Forbes ist das Vermögen von Musk im vergangenen Jahr um mehr als 150 Milliarden US-Dollar gestiegen. Der Mann, der Twitter zu X, zum Wird-man-ja-wohl-sagen-dürfen-Medium und damit zur rechten Dreckschleuder umgebaut hat, nennt, den Forbes-Schätzungen zufolge, momentan 428 Milliarden US-Dollar sein Eigen.

Ob Musk auch schon bei den österreichischen Rechten Geld liegen lassen hat, ist bislang nicht bekannt. Aber vielleicht brauchen die es gar nicht, denn es ist ja leider keine Premiere, dass aktuell die ÖVP der teilrechtsextremen FPÖ eine helfende Hand reicht. Nur jetzt erstmals sogar zur möglichen Kanzlerschaft. Überall in Europa biedern sich die Konservativen den Populisten an, da mögen manche Unionsgrößen noch so sehr die "Brandmauer" beschwören. Auch in Thüringen meinten noch vor der dortigen Landtagswahl im Herbst 2024 beinahe die Hälfte der CDU-Mitglieder, es sei in Ordnung, mit der AfD zusammenzuarbeiten.

Im Kommunalen läuft die Zusammenarbeit bereits eine Spur enger. Da kannte man sich oft schon, bevor es die AfD gab und trifft sich beim Bäcker und Metzger, wo es noch welche gibt, oder zumindest im Supermarkt. Alles nicht so schlimm mit den Rechten, ist doch der Nachbar. Da kann es dann wie in Nehren, einem Dorf zwischen Tübingen und Hechingen, passieren, dass ein Feuerwehrmann Ehrenkommandant werden sollte, der rechtsextremen Kram in den Sozialen Medien verbreitete. Die SPD im Gemeinderat hat dagegen aufbegehrt. Dies wiederum fand der Bürgermeister – Freie Wähler – nicht so gut und war irritiert von der Intervention, er sei doch kein "Gesinnungsprüfer"! Während bundesweit die Feuerwehren warnen vor den Extremen, die sich – angezogen von Uniformen und klaren Hierarchien – in den eigenen Reihen tummeln.

Auch in Oberschwaben ging es mit rechten Dingen zu. Da luden Krawallbauern, die den Grünen in Biberach vergangenen Februar den Politischen Aschermittwoch versaut hatten, zur Ballermann-"Mittelstands-Party". Um für einige der Ihren zu sammeln, die beim Bauernprotest ziemlich über die Stränge geschlagen hatten und nun zu Geldstrafen verurteilt wurden. "Fans von Querdenker-Guru Michael Ballweg, schlichte Ballermänner, Reichsbürger und AfD-Anhänger" haben da gefeiert, schreibt Kontext-Redakteur Josef-Otto Freudenreich, der sich die Chose angesehen hat. Eine "Party des Volkes" sei's, stand dagegen in der Ankündigung auf der Seite der Lokalität, die – wie es so oft ist – "nur die Räumlichkeiten" zur Verfügung stellte. Da träfen sich die "Macher", die, die "jeden Tag anpacken und das Land am Laufen halten". Puh.

In Oberschwaben treffen solche Leute auf eine breite Zivilgesellschaft, die sich mit Herz und Hand gegen den Rechtsruck engagieren. Solche Bündnisse gibt es in Stuttgart, in Waiblingen, Karlsruhe und Mannheim, ja auch im tiefsten Schwarzwald. Diese Bündnisse müssen gestärkt werden, denn 2025 gilt es mehr denn je, wachsam zu bleiben. Kontext wird sein Möglichstes dafür tun.

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1 Kommentar verfügbar

  • Dr. Hermann Tillmann
    vor 2 Wochen
    Antworten
    Was Ihnen in dieser Saga fehlt ist die Konsequenz wenn man auf den Hilferuf antwortet. So geschehen von meinem Enkel (11), der schrieb, er sei kein Papa und noch zu jung. Danach bekam mein Sohn die Abrechnung - 10 € wurde auf seinem Handy für die Antwort berechnet. Darin liegt die Abzocke. MfG T…
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