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Julia Ruhs

Deutschlands dümmste Journalistin

Julia Ruhs: Deutschlands dümmste Journalistin
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Wer in der Medienwelt glaubt, nicht blöd zu sein, weil er mit rechten Ressentiments zu Ruhm gelangt, der könnte ebenso gut am helllichten Tag auf den Marktplatz scheißen und hernach stolz verkünden: "Mich kennt die ganze Stadt!" Nicht jede Journalistin ist eine Journalistin, meint unser Kolumnist.

Es ist vermutlich eine derart offensichtliche Offensichtlichkeit, dass sie bisher noch niemand niederschreiben wollte: Die Behauptung, im öffentlich-rechtlichen Rundfunk arbeiteten keine Konservativen, ist schon deshalb schwierig, weil die allermeisten Journalist:innen im ÖRR darum bemüht sind, ihre Parteipräferenz für sich zu behalten. Dass das auch recht gut gelingt, merken Sie, wenn Sie sich mit einem Linken und einem Rechten über dieselben Moderatoren unterhalten: Beide werden Lanz, Miosga, Illner oder Maischberger vorwerfen, sie stünden politisch im jeweils anderen Lager.

Wer hingegen schon im Volontariat herumposaunt, die einzige Mitte-Rechts-Stimme im Laden zu sein, hat Grundlegendes nicht verstanden oder interessiert sich nur wenig für die Institution des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, dafür aber sehr für sich selbst. Der Rundfunkstaatsvertrag spricht von der "Unparteilichkeit der Berichterstattung" – sich von vornherein als parteilich zu präsentieren, disqualifiziert als Moderatorin eines Nachrichtenformats. (Ein anderes Thema ist die Unterhaltungssparte.)

Julia Ruhs und Jimmy Kimmel, die beide fürs Quatscherzählen bezahlt werden, sorgten letzte Woche zeitgleich für Schlagzeilen. Ihre Sender hatten sie abgesägt. Der gebürtige New Yorker sei Donald Trump zu frech, die gebürtige Ludwigsburgerin dem NDR zu rechts.

Beides gleichzusetzen wäre ein Vergleich von Äpfeln und Hohlbirnen. Der Fernsehsender ABC, eine Disney-Tochter, setzte den nun wiederauferstandenen Kimmel einstweilen wohl vor die Tür, weil man fürchtete, der von Donald Trump eingesetzte Chef der amerikanischen Medienaufsicht könnte einen avisierten Millionen-Deal verhindern, wenn der ungeliebte Late-Night-Witzemacher auf der Bühne bleibt. Den greisen Kauz im Weißen Haus muss gnädig stimmen, wer Geschäfte machen will. Trump bejubelte Kimmels Mundtod, weil ein Tyrann weiß, wie sehr Spott die uneingeschränkte Machtausübung infrage stellt.

Journalistische Qualität? Dem BR egal

Julia Ruhs hingegen hatte bereits in der Pilotfolge ihres Magazins "Klar", einer Koproduktion von NDR und BR, dicke Schnitzer fabriziert und in einer so unausgewogenen wie tendenziösen Sendung über Migration simpelste journalistische Standards nicht erfüllt. Mit WDR-Chefredakteur Stefan Brandenburg zu sprechen: "Eine Sendung vorwiegend damit zu bestreiten, alle negativen Aspekte des Themas Migration auf einmal zusammenzutragen, und das genau so anzukündigen, kommt mir ziemlich unterkomplex vor." Die Realität ist eben nicht, dass die Bundesrepublik in Ausländerkriminalität versinkt, sondern dass sie ohne Zuwanderung längst zusammengebrochen wäre. Gehen Sie durch Krankenhäuser, Baustellen, Kindergärten, Schlachthöfe, Bürogebäude, Verkaufsflächen oder sprechen Sie mit dem Menschen, der Ihre Amazon-Bestellungen überbringt: Migranten halten den deutschen Laden am Laufen. Ohne Migration wäre dieses Land am Ende.

Auch die zweite Folge des Formats scheiterte: Anstatt die eigentlichen Probleme der Landwirtschaft aufzuzeigen (können Sie hier nachlesen), plapperte man rechtspopulistisches Geschwätz nach. Der niedersächsische Landesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, Ottmar Ilchmann, bezeichnete die Folge als "unterirdisch".

Den NDR bewog dieses journalistische Versagen dazu, das Format zwar fortzuführen, jedoch nach besseren Journalisten Ausschau zu halten. Der Bayrische Rundfunk hingegen legt weniger Wert auf journalistische Qualität und lässt Ruhs das Format weiterhin moderieren. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist vermutlich der einzige Arbeitgeber, den freie Mitarbeiter in aller Öffentlichkeit dermaßen in den Dreck ziehen und weiterarbeiten dürfen. So gesehen herrscht beim ÖRR mehr Meinungsfreiheit als bei jedem anderen Unternehmen.

Bei der Suche nach einer qualifizierteren Nachfolgerin hatte der NDR bislang keinen Erfolg: Für Ruhs übernimmt jetzt die CDU-Wahlkampfkoordinatorin von 2021 und ehemalige Bild-Chefin Tanit Koch. "Leiterin CDU-Wahlkampf 2021" ist gewiss keine Stelle im Vitae cursus, mit der sich prahlen lässt – als Armin Laschet von der Personalentscheidung gehört hat, musste er sicher (wieder) lachen.

Dumm klickt gut

Ironischerweise dürfte die Teilabsetzung der bislang größte Erfolg der 31-jährigen Ruhs sein, deren einziges Kunststück die Opferrolle ist und die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als persönliches Marketinginstrument für sich entdeckt hat. Sie räumt das in einem "Zeit"-Interview auch offen ein: "Ich wäre doch blöd, wenn ich's nicht machen würde, oder?" Nein, dann wärst du schlau. Wer in der Medienwelt glaubt, nicht blöd zu sein, weil er mit rechten Ressentiments zu Ruhm gelangt, der könnte ebenso gut am helllichten Tag auf den Marktplatz scheißen und hernach stolz verkünden: "Mich kennt die ganze Stadt!"

Wer aber eben nicht schlau ist, wird früher oder später bei "Welt" oder "Nius" auf der Gehaltsliste stehen, wo man Journalismus ebenfalls nicht mehr als Metier mit Verantwortung, sondern nur noch als bloßes Business versteht. Noch finanzieren wir die Markenpflege der Julia Ruhs als rechter Agitatorin aber alle gemeinsam mit den Geldern ebenjenes öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der von den Gründern dieser Republik dafür vorgesehen war, nationalistischen Regungen entgegenzutreten.

In der Herangehensweise unterscheidet sich Ruhs dabei nicht von der unehelichen Söder-Tochter Gloria Burkandt, die derzeit im TV-Format "Deutschlands dümmster Promi" so tut, als ob sie Helmut Kohl und Konrad Adenauer nicht kenne und damit eine Schlagzeile nach der anderen einheimst. Dumm klickt gut, das hat sie sich abgeschaut vom Vielfraßvater. Wir blicken also auf schlichte Gemüter, die sich als Genies wähnen: Burkandt und Ruhs glauben, es sei genial, wenn jeder verstandesbegabte Mensch sie für unzurechnungsfähig hält.

Die Bezeichnung "Deutschlands dümmste Journalistin" mag manchem dennoch als unpassend erscheinen, weil sich die berechtigte Frage stellt, ob "Journalistin" überhaupt zutreffend ist und wir es nicht vielmehr mit einer Empörungsunternehmerin zu tun haben – andererseits ist Gloria Burkandt ja auch kein Promi. Alle linken Polithypochonder, die in der Schwäbin eine ernsthafte Gefahr sehen, können sich derweil beruhigen: Wäre Julia Ruhs tatsächlich so rechts, würde sie ja keine Medienkarriere als Influencerin anstreben, sondern ihrem Mann was kochen. (Disclaimer: Ja, das ist Sexismus, aber nicht der meine, sondern der des rechten Frauenbilds.)

Symptome einer verblödenden Gesellschaft

Wenn irgendwo irgendwer entlassen wird, weil er seinen Job nicht beherrscht, ist natürlich die Union nicht weit, um gegen das Leistungsprinzip zu Felde zu ziehen. Nachvollziehbar, denn wenn derartige Meritokratie Schule machte, wären auch viele CDUler ihren Job bald los. So forderte CDU-Linnemännchen Carsten, man müsse die Rundfunkgebühren einfrieren, um Druck zu machen – also Methode Trump – und es stammelte der kommende BaWü-Ministerpräsident Manuel Hagel, der sein Amt auch nicht aufgrund herausragender Kompetenzen erhalten wird, seine "ganze Solidarität" mit Julia Ruhs in seine Selfie-Kamera: "Demokratie und die Midde in unserem Land, die läbt von unterschiedlichen Perschpektiven, die läbt von Meinungsvielfalt – und des isch kein Problem! Des isch eigentlich ja ein richtiger Schatz!" Und er muss es wissen, denn auch Manuel Hagel ist ein richtiger Schatz. Wo Meinungsvielfalt nur noch bedeutet, dass jeder jeden kontrafaktischen Unsinn erzählen kann, mag derlei schwäbische Mittelstufenrhetorik verfangen.

Bedauerlicherweise sind Hagel, Burkandt, Söder und Ruhs Symptome einer zusehends verblödenden Gesellschaft. Der US-Präsident hat's ja vorgemacht: Die Dümmsten werden die Klügsten sein. Und schuld sind leider die Medien. Als hätten wir nichts gelernt. "Stop making stupid people famous" sollte die offensichtliche Lektion sein, die uns das mediengemachte Monster Trump gelehrt hat. Stattdessen huldigen wir der Torheit mit Sendungen wie "Deutschlands dümmster Promi".

Ach so: Falls Sie am Ende dieses Texts befinden, der Autor habe hier ja vielleicht doch ein recht schroffes Zerrbild einer Journalistin gezeichnet – tja, sehen Sie, so erging es den Migranten im Format "Klar" eben auch. Wobei die halt vor einem potenziellen Millionenpublikum als kriminelle Messerstecher abgekanzelt wurden, während die Verunglimpfung der Journalistin lediglich vor den zwölf "Oettle über alles"-Lesern geschieht. (An dieser Stelle wollte mich die Redaktion zensieren, man habe ja wohl mehr als zwölf Leser – aber als einzige konservativ schätzende Stimme bei "Kontext" lasse ich mir das Maul nicht verbieten, darauf können sich meine Leser verlassen! Und zwar alle zwölf.) Tatsächlich plagen mich allerdings Zweifel angesichts der Frage, ob es nicht ein unerlaubtes Nach-unten-Treten ist, wenn ich als gebürtiger Stuttgarter über eine gebürtige Ludwigsburgerin den Stab breche.


Transparenzhinweis: Cornelius W. M. Oettle arbeitet selbst für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Er schreibt als freier Autor für die ZDF-Kabarettsendung "Die Anstalt".

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