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Schusswaffengebrauch und Hundeführerschein

Hunde in den Zoo!

Schusswaffengebrauch und Hundeführerschein: Hunde in den Zoo!
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Was jetzt kommt, wird vielleicht nicht allen gefallen. Aber es ist eines der ganz großen Streitthemen unserer Zeit. Ich bin Cornelius W. M. Oettle und wir von "Oettle über alles" sagen, was falsch läuft. Das alles schildern wir aus der Sicht von Betroffenen. Nämlich aus meiner.

Nachdem ich hier die letzten Monate mit lockerleichten Sujets wie Aufrüstung und Heldentod fürs Vaterland diskursiven Eskapismus betrieben und mich den wirklich dringlichen Fragen der Zeit verweigert habe, wage ich mich diesmal endlich wieder ans Eingemachte: In Ulm, so entnahm ich der "Südwest Presse", wurde jüngst ein Polizist von einem nichtangeleinten Schäferhund angefallen, woraufhin der Beamte zur Waffe griff.

Über die Hautfarbe des Tieres gab der Artikel keine Auskunft, aber da es nur leicht am Ohr verwundet wurde wie weiland der andere Kläffer im Weißen Haus und nicht durch vier Schüsse in den Rücken getötet, gehe ich von einer helleren Schattierung aus. Nach dem Schuss schlug die "mutmaßlich alkoholisierte" ("Südwest-Presse") Hundeführerin mit ihrer Jacke auf den Polizisten ein.

Gut möglich, dass Sie von diesem Vorfall gar nichts mitbekommen haben. Systemmedien wie Kontext schweigen die zahlreichen Fälle von Hundekriminalität in diesem Land tot. Kein Wunder: Meinen Recherchen zufolge ist etwa Chefredakteurin Anna Hunger bekennende Hundefreundin. Doch keine Sorge, Ihr Lieblingskolumnist – das bin ich, falls Sie's nicht wussten – lässt sich keinen Maulkorb aufpfropfen!

Rückschrittliches Frauchenbild

Wie Sie aus anderen Debatten wissen, ist ein Angriff auf einen Polizisten ein Angriff auf uns alle. Auf unsere Art zu leben. Die Bewertung dieses Skandals gestaltet sich für mich dennoch nicht ohne Mühe, gilt meine Sympathie doch weder Polizei noch Hunden noch Hundeführer:innen. Zwar habe ich kein persönliches Problem mit Hunden. Obwohl. Sagen wir so: Ich habe genauso kein Problem mit Hunden wie die AfD kein Problem mit Ausländern hat. Heißt: Wenn jemand nach meiner Haltung zur Hundehaltung fragt, weiß ich, dass es geboten ist, etwas Versöhnliches zu stottern. Etwas wie: "Klar, Hunde, äh, solang sie anständig sind und sich an unsere Regeln halten und kein rückschrittliches Frauchenbild haben – kein Ding!" Aber insgeheim wär's mir natürlich schon lieber, die wären da, wo sie hingehören. Nämlich im Zoo. Also die Hunde, nicht die Ausländer.

Sie müssen mir den Hundehass jedoch aufgrund meiner persönlichen Erfahrungen nachsehen. So wie man Polizisten vergibt, wenn sie Rassisten sind, weil sie häufiger mit kriminellen Zuwanderern zu schaffen haben und als rein rückenmarkgesteuerte Unvernunftwesen selbstredend gar keine andere Wahl haben, als deshalb gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit zu entwickeln. So wie man Ärzten vergibt, wenn sie Übergewichtige verachten, weil sie den Adipositaspatienten jeden Morgen die Leiste zurechtbiegen oder Magenbänder reinklempnern müssen – so muss auch mir Ihr Verständnis gelten, denn ich bin Jogger.

Als Jogger erlebe ich Hunde überproportional oft als bedrohliches Ärgernis. Auch, weil ich dabei im Gegensatz zum Polizisten selten ein Schießeisen im Holster führe. Laut dem bekannten Fachportal "hundehaftpflichtversicherungen-vergleich.de" wird die Zahl der Bissverletzungen durch Hunde in Deutschland auf bis zu 50.000 pro Jahr geschätzt. Genaue Zahlen gibt es nicht. Weil die Gesellschaft die Augen verschließt. Weil der Staat es nicht wissen will. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Vielleicht müssen wir darüber nachdenken, das Tragen von Schusswaffen beim Joggen zu erlauben.

Eskalationsstufenkaskade der Hundeführer

Joggen, bekanntlich ein Sport für Leute, die im Grunde ihres Herzens eigentlich gar keinen Sport machen wollen und es wennsdennschonseinmuss dabei gern gemütlich haben, entbehrt leider jedweder Gemütlichkeit, sobald ein Köter die Laufbahn quert. Hechelt der Jogger am Waldrand entlang und gewahrt in der Ferne einen Hund, so steigt in ihm ein Gefühl des Unbehagens auf. Freilich: Es ist nur ein Gefühl, aber wir müssen die Gefühle der Menschen ernst nehmen.

Während der Jogger sich lediglich in Spiritualität und magischem Denken üben und ein stilles Gebet gen Himmel stoßen kann, bietet sich dem Hundeführer eine ganze Eskalationsstufenkaskade. Die Minimalmaßnahme besteht darin, den Vierbeiner plötzlich ganz eng bei sich zu führen. Diesen Präventivschlag gegen den Hund führen erfahrungsgemäß 85 Prozent der Hundeführer aus. Den Jogger beruhigt dieses gutgemeinte Verhalten derweil kaum, signalisiert es doch offensichtlich Unsicherheit darüber, ob der daherdackelnde Dackel zuverlässig gehorcht.

Noch beunruhigender die nächsthöhere Unsicherheitsstufe: Der Hundeführer kniet sich in Anbetracht des Joggers hinunter zum domestizierten Lupus und schirmt ihn mit dem gesamten Körper ab. Hier wird dem Jogger suggeriert: "Kann sein, dass mein Doggy gleich deine Ferse anknabbert, aber vielleicht vergisst er ja, dass du da bist, wenn er dich für zwei Sekunden nicht sieht."

Die Maximaleskalation des Hundeführers: Er zückt aus der Jackentasche ein Stück Leberwurst und zieht selbiges dem Hund einmal komplett durchs Gesicht. Mir als Jogger sagt das: Tief im Innern hat der kleine Sir Scheiß-a-Lot längst rotgesehen und kaut in Gedanken schon auf meinem abgerissenen Hodensack. Oder was diese perversen Triebtiere sich halt vorstellen.

"Was tankt mein Hund?"

Erst letzte Woche verfrühstückten auf meiner Strecke zwei Damen eine Leberwurst im Umfang eines halben Jungrinds an eine leinenlose Deutsche Dogge mit einer Widerristhöhe von geschätzten zwei Meter dreißig, um den Koloss von meiner saftigen Wadenmuskulatur abzulenken. Ich hatte in letzter Zeit viel über hybride Kriegsführung gelesen und war daher in zusätzlicher Alarmbereitschaft, als ich die beiden Frauchen Russisch sprechen hörte. Zugleich räume ich ein, mich bisweilen bei dem Gedanken zu erwischen: "Wenn der Hund mir jetzt knochenbrechend in den Oberschenkel bisse, hätte ich wenigstens einen Grund, mit der blöden Joggerei aufzuhören."

Erwischt hat mich bislang allerdings noch keiner. Ich bin einfach zu flink für diese klobigste und behäbigste Form der Kaniden. Jüngst ist einer beim Schnappversuch an mir vorbei und in den Straßengraben gesegelt, weil ich noch rechtzeitig das Gesäß einziehen konnte. Wuff wuff, Motherfucker! Originalkommentar der Hundeführerin: "Der ist eigentlich ganz lieb! Der wollte nur bei Ihnen mitlaufen!"

Falls Sie sich ob des Begriffs "Hundeführer" wundern: So heißt das! Ich kenne mich aus, ich tu ja beruflich was mit Sprache machen. Wenn es anders hüße, schrübe etwa die "Stuttgarter Zeitung" nicht vom "Hundeführerschein", auf den sich in Baden-Württemberg Grüne und CDU bereits 2021 im Koalitionsvertrag verständigt hatten. Wo ein Hundeführerschein, da auch ein Hundeführer.

Während bislang nur Führer von Kampfhunden beweisen müssen, dass sie in der Lage sind, ihre Bestie zu beherrschen, sollen mit dem Hundeführerschein die Führer aller Rassen nachweisen, sowohl über praktische Fertigkeiten wie auch theoretisches Wissen zu verfügen ("Wo ist beim Hund vorne und hinten? Was tankt mein Hund?"). Der Einführung eines solchen Sachkundenachweises harren wir im Südwesten bis heute, wohingegen Niedersachsen seit 2013 alle Herrchen und Frauchen an die Leine nimmt.

Gassi nur noch mit Bezahlkarte

Im Grunde geht mir so ein Hundeführerschein aber gar nicht weit genug. Weil er das Problem nicht löst. Die Zahlen müssen runter. Die Tierheime platzen aus allen Nähten, die Kommunen sind überfordert. Wir brauchen Zäune, Mauern, Gehege. Brot-Bett-Seife-Politik. Gassi nur noch mit Bezahlkarte. Insgesamt werden auf Dauer nur weniger Hunde in Deutschland leben, wenn sie hier leben müssen wie ein Hund.

Beweisen konnten es die Biologen zwar noch nicht, aber laut genetischer Forschung spricht wohl einiges dafür: Der Hund ist dem Deutschen von Natur aus geistig unterlegen. In prähistorischen Zeiten mag es mal zielführend gewesen sein, sich den direkten Nachfahren des Wolfs als Assistent ins Land zu holen. Aber in der Ära des Staubsaugroboters braucht wirklich kein Mensch mehr so ein kreuzdeppertes Faunarudiment.

Die Schweiz hatte die Schulungen für Hundeführer übrigens bereits 2008 vorgeschrieben, allerdings acht Jahre später wieder abgeschafft, weil sich nicht hätte nachweisen lassen, dass die Kurse zu einem Rückgang der Hundeangriffe geführt hätten. Tja, leider unbelehrbar, die Viecher. Hilft wohl doch nur der Zoo.

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1 Kommentar verfügbar

  • a dabei
    vor 7 Stunden
    Antworten
    Wunderbarer Beitrag! Ich kann Oettles Motivation vollumfänglich nachvollziehen – zumal ich selbst schon mal Opfer eines Der-will-doch-nur-spielen-Schäferhundes wurde. Was mich aber fast noch mehr stört: Auf den einzigen einst grünen Quadratmetern hier in unserem Wohngebiet hinterlassen täglich…
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