In einem neuen Buch, das zufällig fast zeitgleich mit dem Ludwigsburger Raserunfall erschien, wirft der Wirtschaftswissenschaftler Boris von Heesen einen geschlechterspezifischen Blick auf das Thema. Eine wichtige Perspektive, denn Frauen sind an den gefährlichen Wettkämpfen im Verkehr so gut wie nie beteiligt. Der Sachbuchautor, der bei einem Jugendhilfeträger und nebenbei auch in einer Männerberatungsstelle arbeitet, ist durch seine exakten Berechnungen über die gesellschaftlichen Kosten des Patriarchats bekannt geworden. "Was Männer kosten" lautete der eingängige Buchtitel. In seinem jüngsten Werk nimmt sich der Darmstädter Ökonom nun den "Mann am Steuer" vor. Er meint damit jenen (nicht die Mehrheit bildenden) Teil des männlichen Geschlechts, der mit überdimensionierten Fahrzeugen, aggressivem Verhalten und unangemessener Lautstärke die deutschen Straßen beherrscht. Zudem beschreibt von Heesen, wie männliche Netzwerke in Unternehmen, Wissenschaft, Politik und Lobby-Verbänden eine "zukunftsfähige Mobilität" verhindern.
Populäre Sachbücher behaupteten einst, weibliche Fahrerinnen könnten schlecht einparken, in Männerkreisen kursiert teils bis heute der sexistische Spruch "Frau am Steuer, Ungeheuer". Mit seiner Replik "Mann am Steuer" spielt der Verfasser auf solche Klischees an. Ihn beschäftigt die Frage, warum manche, wenn auch nicht alle Männer ihr(e) Auto(s) so abgöttisch lieben – und sich im Verkehr entsprechend verhalten: "Fest eingeschlossen in ihre letzten maskulinen Schutzräume gestikulieren sie wild und aggressiv, beleidigen und nötigen andere Menschen, die ihnen auf asphaltierten Wegen in die Quere kommen." Durch dieses risikoreiche Verhalten, so der Autor, gefährden die Fahrer "andere und auch sich selbst". Verantwortlich dafür sei die nach wie vor wirkmächtige patriarchale Erzählung, dass "erst ein großes, lautes und mit Status aufgeladenes Fahrzeug einen richtigen Mann macht".
Boliden für "richtige Männer"
Den Schwerpunkt des Buches bilden aber nicht psychologische Erklärungsversuche, von Heesens Spezialgebiet sind vielmehr ökonomische Argumente. Er listet im Detail auf, welche volkswirtschaftlichen Kosten die männliche Leidenschaft für das Auto verursacht, und legt dabei großen Wert auf gesicherte Daten auf der Basis seriös nachgewiesener Statistiken. So sind nach den Zahlen des Flensburger Kraftfahrtbundesamtes vier von fünf Pkw in der motorstärksten und umweltschädlichsten Leistungsklasse ab 2.000 Kubikmeter auf männliche Halter zugelassen, meist handelt es sich um steuerbegünstigte Dienstwagen.
Bei Verkehrsunfällen steigt die Beteiligung von Männern mit der Dramatik der Folgen überproportional an. Gibt es schwerverletzte Opfer, sind Männer zu 65 Prozent hauptverantwortlich, bei Getöteten wie in Ludwigsburg wächst ihr Anteil unter den Verursachern auf über 78 Prozent. Zu ganz ähnlichen Ergebnissen kommen die Autoversicherer in ihrer Statistik der Sachschäden. Als Hauptursache für schwere Unfälle gelten die Faktoren Alkohol am Steuer und Raserei. 91 Prozent der Fahrzeuglenker, die mit über 50 Stundenkilometern innerhalb geschlossener Ortschaften erwischt werden, sind Männer. Auch bei den "Punkten in Flensburg" mit der drastischen Sanktion "Entzug der Fahrerlaubnis" liegen sie einsam an der Spitze, 92 Prozent der eingezogenen Führerscheine gehören Männern. Das ökonomische Fazit des Autors: Die durch schädliches männliches Verhalten im Straßenverkehr verursachten Mehrkosten summieren sich auf rund 13 Milliarden Euro pro Jahr.
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Frank Stephan
vor 4 Tagen