Obendrein ist Musk auch noch amerikanischer Regierungsberater. Hitlers Gefühle mag das nicht mehr verletzen können, aber denkt hier eigentlich auch noch irgendwer an AfD-Schutzpatron Putin?
Dass AfD-Fans nicht merken, dass Musk sie für blöd verkauft, dürfte niemanden wundern, der sich schon mal mit einem AfD-Fan unterhalten hat. Selbstredend geht es dem 53-Jährigen nicht um Deutschland. Als Genie weiß er, dass die AfD eine peinliche Verliererpartei ist, neben der selbst CDU-Politiker kompetent wirken, und deren gedankenloses Programm diesem Land mehr Schaden zufügen würde als die Umsetzung aller anderen Parteiprogramme. Ebenso verwundert es niemanden, der sich schon mal mit einem Springer-Redakteur unterhalten hat, dass die "Welt am Sonntag" es für einen Coup hält, einen so argumentfreien wie zahnlosen Text im Blatt zu haben, den wohl ein Musk-Mitarbeiter von einer KI generieren lassen hat.
"Mr. Tesla" im Ketaminrausch
Verwundern mag allenfalls, dass Elon sich noch immer gewaltiger Popularität erfreut, obwohl längst bekannt ist, dass hinter der Fassade des ulkigen Geschäftsmanns ein trauriger Tropf steckt, der im Internet mit anonymen Zweitaccounts gegen seine Ex-Frau wettert und nicht nur im Kampf gegen seine Depression regelmäßig zum Vorteilspack Ketamin greift, überdies aber gern auch anderen Stoff ballert. Fast wie im kitschig-sozialkritischen Märchen: Der reichste Mann der Welt ist ein verhärmter Junkie, der sich sein gescheitertes Privatleben mit Fake-Profilen schönschreibt.
So hat Genius Musk bereits unter Eid vor Gericht gestanden, mehrere Accounts auf seiner Plattform X zu nutzen, wo er etwa unter falschem Namen die Frage postete, wie seine Ex-Frau nur den "King of Space X" (ja, so nennt er sich selbst) verlassen konnte und ob ihre Kinder denn nicht wütend auf sie seien, weil die doch bestimmt gern mit "Mr. Tesla" (ja, so nennt er sich selbst) abhängen würden. Hochnotpeinlich und auch noch an der Wahrheit vorbei, wie man unter anderem dank Musks Tochter Vivian weiß: Sie hat den Kontakt zum Vater längst abgebrochen und erzählt öffentlich von dessen Drogenräuschen.
Doch Elon Musk ist ein Genie. Was er jüngst wieder unter Beweis gestellt hat, als er die Plattform Wikipedia unterstützte, indem er einen Boykott gegen sie anzuzetteln versuchte. Nachdem er in der Vergangenheit bereits genialisch angeboten hatte, eine Milliarde Dollar an Wikipedia zu spenden, wenn die Online-Enzyklopädie sich dafür in "Dickipedia" umbenenne, rief er nun dazu auf, nicht länger an "Wokepedia" zu spenden. Das Ergebnis des Geniestreichs: Die benötigten Spenden an Wikipedia gehen schneller ein als die Scheiben eines Tesla-Cybertrucks kaputt. Nicht wenige gaben ausdrücklich an, lediglich wegen des Boykottaufrufs gespendet zu haben. Wo Elon Musk mitanpackt, ist es, als würden zehn andere loslassen. Gut also, dass er die Rechten unterstützt.
Denn Elon Musk ist ein Genie. Das nicht nur Online-Enzyklopädien unter die Arme greift, sondern auch der Sticker-Wirtschaft. Tesla-Fahrer in den USA pappen sich mittlerweile reihenweise Aufkleber des "Anti Elon Tesla Club" auf Stoßstange und Heckscheibe. Der Slogan: "I bought this car before Elon went crazy” – ich hab‘ die Karre gekauft, bevor Musk seine Gehirnschmelze hatte. Menschen schämen sich, mit dem Genie assoziiert zu werden. Denkbar jedoch, dass genau dies wiederum bei petromaskulinen Trump-Fans künftig dazu führt, aus pubertärem Trotz einen Tesla, also ein Elektroauto zu kaufen. Brillant! 2023 hatte Musk sich ja auch noch für eine Wärmepumpenpflicht ausgesprochen.
Niemand sollte so viel Macht besitzen
Er ist nun mal ein Genie. Auch die Oscars hat Musk geadelt. Da gehe es nicht mehr um Filmkunst, sondern bloß um einen "Woke Contest". (In der genialen Wahnwelt ist alles woke, was nicht "Ausländer raus!" brüllt.) Wer diesen Preis gewinne, sei lediglich der beste Quisling. Der Begriff geht zurück auf den norwegischen Fascho Vidkun Quisling. Der arbeitete mit den Nazis zusammen und ließ sich während der deutschen Besatzung von 1942 bis 1945 als Ministerpräsidentenpuppe der norwegischen NS-Marionettenregierung einsetzen. Seither gilt Quisling als Synonym für Vaterlandsverräter. Einfach genial, dass ausgerechnet Musk den Namen eines opportunistischen Faschistenkollaborateurs als Schimpfwort verwendet.
Ein genialer Glücksgriff seines kongenialen Broligarchen Donald Trump war's auch, Elon Musk damit zu beauftragen, den amerikanischen Staatsapparat zu optimieren. Für die Linke eigentlich ein Grund zum Jubeln, dürfte die US-Hegemonie damit doch bald endgültig Geschichte sein. Ironischerweise soll Musk den Haushalt zusammenstreichen, wo doch das Geschäftsmodell unseres Genies ohne Staatsknete völlig undenkbar wäre: Firmen wie Tesla existieren ausschließlich dank staatlicher Subvention, und die Kunden von Musks Weltraum- und Satellitenfirmen sind die NASA und die Regierung selbst. Aber von derlei Details lässt sich ein Genie nicht stoppen, geht es ihm doch ohnedies nur darum, noch mehr staatliche Gelder auf seine Konten zu manövrieren. Dass wirtschaftsliberale Musk-Fans dennoch nicht begreifen werden, dass derlei Kleptokratie mit der Idee einer reinen Marktwirtschaft wirklich gar nichts zu tun hat, ahnt aber jeder, der sich schon mal mit einem Musk-Fan unterhalten hat.
Ist es also bei aller Genialität nicht doch problematisch, wenn eine einzelne Person ohne demokratische Legitimation die Zügel der Weltkutsche in die Hand nimmt? Iwo! Wenn ich Marx richtig verstanden habe, was unwahrscheinlich ist, weil ich im Gegensatz zu Elon Musk kein Genie bin, werden wir vor dem Erreichen des Kommunismus sowieso erstmal den Kapitalismus mit seiner Kapitalkonzentration durchspielen, bis alles auf der Welt einem einzigen Tech-Typen gehört. Und den knöpfen wir uns dann eben vor. Das macht die Enteignung schön einfach und übersichtlich. Insofern geht Elon Musk (Genie) nachgerade selbstaufopfernd voran.
Selbstverwaltung auf dem Mars
Folgerichtig will Musk mit dem Staat noch die letzte Organisationsform abschaffen, die uns vor der Willkür der Konzerne schützen und umverteilend eingreifen könnte. Das wäre schmerzhaft, aber kurz. Denn dass der radikale Libertarismus respektive ein Anarchokapitalismus ohne staatliche Regulierung (wie die Nervenkettensägen Musk, Milei und Mitläufer Lindner ihn vorantreiben) nicht lange funktioniert, ist längst erwiesen. Um zu wissen, dass die unregulierte Gesellschafts"utopie" à la Musk zum Scheitern verurteilt ist, muss man gar nicht zum Mars fliegen, wo das Genie bekanntlich kolonial tätig werden und gängigen zivilisatorischen Streitigkeiten bar jeglicher Regierung mit "Selbstverwaltungsprinzipien" begegnen will. Es reicht schon ein Trip nach Grafton in New Hampshire.
Im Rahmen des "Free Town Project" zogen anno 2004 zahlreiche Libertäre in das 1.300-Einwohner-Örtchen, um dort die kommunale Verwaltung zu übernehmen und ein libertäres Paradies ohne Regulierung und Steuern zu erschaffen. Das gelang prächtig: Kriminalität und Gewalt stiegen an und infolge der Haushaltskürzungen wurden Gemeindebüros nicht länger beheizt, Schlaglöcher nicht gestopft und der Müll nicht mehr ordentlich entsorgt. Die Folge: Bären attackierten die Einwohner und fraßen deren Haustiere – they're eating the pets! Merkspruch: Auch Bären mögen keine Libertären. Die wiederum mussten am Ende aufgeben und einsehen, dass ohne Staat kein Staat zu machen ist. Aber auf dem Mars sind Bärenangriffe ja auch recht selten. Möge Elon Musk sein Genie dort möglichst bald entfalten.
3 Kommentare verfügbar
Holger B.
am 20.01.2025