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Das Kanzlerduell

Oettle gegen Merz

Das Kanzlerduell: Oettle gegen Merz
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Lindner-Papier, Habeck-Papier, Scholz-Papier – die Chaoskoalitionäre haben dermaßen viele Papiere vorgelegt, dass wir jetzt kein Papier mehr für Neuwahlen haben. Da hilft nur noch das Oettle-Papier, meint unser Kolumnist.

Am Ende passten dann doch einige Blätter Papier zwischen die Koalitionspartner. Das Lindner-Papier provozierte Scholz, das Habeck-Papier provozierte Lindner, und das Scholz-Papier hatte der Kanzler laut Habeck "hingerotzt". Erschreckend: In der Ampel herrschte zuletzt ein Ton wie in der CDU, wo Friedrich Merz einem Bericht des Titanic-Magazins zufolge hinter seinem Rücken "Fotzenfritz" gerufen wird.

Der Kanzlerkandidat aus der Mottenkiste gilt bereits als neuer Regierungschef. Wobei er hoffen muss, dass die Menschen im Land bis Februar nicht merken, dass Merz einzig und allein neben dieser Zankampel wie eine vernünftige Option aussah. So wie Batman den Joker braucht, brauchte der Oppositionsführer den Regierungsstreit. Denn wenn man sich den Joker als Bösewicht mal wegdenkt, ist der große Held plötzlich nur noch ein Verrückter im Fledermauskostüm.

Dennoch stehen Merzens Aktien gut. Um Kanzler Fritze zu verhindern, sehe ich nur noch zwei Möglichkeiten: Entweder wir bringen ihn rasch in ein Flutgebiet und erzählen ihm vor Fotografen einen sehr guten Witz. Oder ich kandidiere bei den Neuwahlen selbst und strebe eine Koalition mit dem Juniorpartner "Bündnis Volker Wissing" an. Drum habe ich aus der Not heraus staatspolitische Verantwortung übernommen und ein 10-Punkte-Programm für unser Land ausgearbeitet: das Oettle-Papier.

1. Windräder

Friedrich Merz hat bei Maybrit Illner erklärt, er wolle Windräder abbauen, weil er sie "hässlich" finde. Aber in der Wirtschaft geht es nun mal nicht um Schönheit, sonst wäre Merz ja auch nie Aufsichtsratsvorsitzender bei Blackrock geworden. Drum sieht mein Prosperitätsplan auch nicht vor, die Windräder abzubauen, sondern noch mehr aufzustellen. Und zwar am Tegernsee direkt vor der Villa von Friedrich Merz. Und vor seinem Haus im Sauerland. Und vor jeder Immobilie, die Blackrock direkt oder indirekt gehört. (Keine Sorge: Vonovia-Mieter sind nicht betroffen. Zwar hält Blackrock 8,6% der Vonovia-Anteile, aber die Immobilienkonzerne werden vom Kabinett Oettle I dem Volkswillen entsprechend ja ohnehin enteignet.)

2. Vermögensteuer von 0,0001 Prozent

Obwohl sogar unter CDU-Anhängern eine Mehrheit sich für die Vermögensteuer ausgesprochen hat, dürfte Merz als Blackrock-Rammbock wohl keine Anstalten machen, diese zu reaktivieren. Dabei müssten wir doch, um den Staatshaushalt auf Vordermann zu bringen, erstmal herausfinden, bei wem das ganze fehlende Geld überhaupt gelandet ist. Das Problem: Da wir seit bald 30 Jahren keine Vermögensteuer mehr erheben, haben wir auch keine zuverlässigen Daten zu den deutschen Reichtümern. Von jedem Bürgergeldempfänger wissen wir, ob sein Kind eine Ausbildung macht und 700 Euro im Monat verdient, weil wir ihm dann ja das Bürgergeld kürzen müssen. Wir wissen aber nicht, wie viele Milliarden deutsche Milliardäre haben.

Selbst das Bundeswirtschaftsministerium kann in dieser Frage nur auf die Liste der "500 reichsten Deutschen" verweisen, die das "Manager Magazin" jährlich präsentiert – peinlicher geht's nicht. Diese Liste entsteht auf ähnlich seriöse Weise wie die Sat1-Sendung "Die besten Comedians Deutschlands" (mit Cindy aus Marzahn, Chris Tall und Oliver Pocher). Die gelisteten Vermögen werden dabei von der Redaktion nur geschätzt. Manche Milliardäre kommen auch gar nicht in der Liste vor, weil sie dem Verlag mit ihren Anwälten drohen.

Unter Kanzler Oettle werden wir uns nicht länger auf das "Manager Magazin" verlassen, sondern uns ein Vorbild nehmen an dem kommunistischen Musterstaat Schweiz. Die Kantone erheben hier knüppelharte Vermögensteuern zwischen 0,1 Prozent und 1 Prozent. Brutal! Nicht umsonst nennen sich diese linksradikalen Alpenstalinisten "EidGENOSSEN". Um die Milliardäre von Uri bis Graubünden von dieser unmenschlichen Last zu befreien und nach Deutschland zu locken, schlage ich für die Bundesrepublik eine Vermögensteuer in Höhe von 0,0001 Prozent vor.

So erhalten wir für den Staatshaushalt zunächst zwar nur ein paar Kröten, aber immerhin eine verbesserte Datenlage. Und als Schmankerl ein paar abgefahrene Talkshowmomente: Die ideologisch verbohrten Köpfe von FDP, AfD und Union, also das intellektuelle Speerende der Stiftung Familienunternehmen, die eine Vermögensteuer kategorisch ausschließen, jammern dann bei Lanz darüber, dass eine Belastung der Reichen in der gewaltigen Höhe von 0,0001 Prozent doch nicht zumutbar sei und machen sich mit ihrem larmoyanten Geschwätz noch lächerlicher als ohnehin schon.

3. Deutschlandticket

Das Deutschlandticket heißt künftig wieder 9-Euro-Ticket. Und kostet nicht 9 Euro pro Monat, sondern pro Jahr. Jedes Mal, wenn jemand in einer Talkshow über die Finanzierung jammert, erhöht sich die Vermögensteuer um 0,0001 Prozent.

4. Volkswagen

Um die Arbeitsplätze beim niedersächsischen Karrenbauer zu retten, legen wir ein bewährtes Erfolgsmodell neu auf: den Kraft-durch-Freude-Wagen! Aber als E-Auto. Der perfekte Kompromiss für rechts und links. Das Kultauto dürfte sich angesichts der politischen Stimmung im Land einer soliden Nachfrage erfreuen. Dank der zusätzlichen Erlöse kann Volkswagen nächstes Jahr wieder 4,5 Milliarden Euro Dividende an seine Aktionäre ausschütten, nur eben ohne deshalb störende Arbeitsplätze abbauen zu müssen.

10 Prozent dieser Ausschüttung gehen jedes Jahr übrigens nach Katar. Der Staatsfond des Emirats hält mittlerweile fast so viele VW-Anteile wie das Land Niedersachsen. Die Katarer haben das Geld in den letzten Jahren aber auch gut investiert, indem sie die Hamas mit mindestens 30 Millionen pro Jahr unterstützt haben. Die Hamas wiederum sorgt dafür, dass deutsche Rüstungskonzerne die Waffenverkäufe an Israel ausweiten können. Die Rettung der Automobilproduktion in der Stadt des KdF-Wagens bei Fallersleben ist also eine Win-Win-Win-Win-Win-Situation.

5. Waffenlieferungen

Waffenlieferungsfragen stellen sich ab nächstem Jahr voraussichtlich nicht mehr, da Donald Trump alle Kriege dieser Welt im Handumdrehen beendet und uns den Weltfrieden gebracht haben wird. Falls ihm das wider Erwarten nicht gelingt, greift Plan B: eine militärische Spezialoperation gegen die USA! Wenn Trump uns Europäer als Verbündete im Stich lassen will, suchen wir uns eben neue Freunde, da hat er seine Rechnung ohne unsere legendäre Rückgratlosigkeit gemacht. Wir nehmen die Ukraine in die Europäische Union auf, laufen dann aber mit der gesamten EU zum Russen-und-Chinesen-Block über und kloppen die kleptokratische Clementine aus dem Oval Office. Die Hälfte der Amerikaner haben wir dabei ja eh auf unserer Seite. Das hat der Kerl dann davon, dass er uns zur Aufrüstung genötigt hat.

6. Inlandsflüge

Sind nur noch mit den Pannenmaschinen von Boeing erlaubt – wollen doch mal sehen, wie wichtig den Inlandsfliegern diese Inlandsflüge wirklich sind.

7. Winter- und Sommerzeit

Um den ewigen Streit zu befrieden, behalten wir beide Zeiten bei, ergänzen sie allerdings noch um die Frühlings- und Herbstzeit, um die schier unerträglichen physiologischen Umstellungsschmerzen zu lindern. Im Frühling wird die Uhr zunächst nur eine halbe Stunde vorgestellt, drei Monate später folgt dann die restliche halbe Stunde zur bekannten Sommerzeit. Vice versa in Herbst und Winter. Mit Kompromissen wie diesem stärken wir das Vertrauen in die Politik.

8. Tempolimit

Aber nur für SUVs und Verbrenner.

9. Klimageld

Unter Habeck war nicht alles schlecht! Zumindest theoretisch. Klar, in der Praxis haben die Grünen in den letzten Jahren sämtliches wahrgemacht, wovor linke wie rechte Grünenkritiker gewarnt hatten: Auf steigende CO2-Preise haben sie beharrt, den sozialen Ausgleich hingegen vergessen. Kein Klimageld für die Ärmeren, keine Vermögensteuer für die Reichen. Beides war im Wahlprogramm vorgesehen. In dem der SPD übrigens auch. Und das Klimageld stand als "Klimadividende" sogar im Programm der FDP. Moment mal, wieso wurde das dann eigentlich noch nicht eingeführt?! Ich werde mich drum kümmern.

10. Rente

Um Rentnerinnen und Rentnern einen schönen Lebensabend zu garantieren, wird die Rente mit 63 verpflichtend. Ab diesem Alter darf keiner Arbeit mehr nachgegangen werden. Schade, dass das auch Friedrich Merz betrifft. Er wäre sicher ein guter Kanzler gewesen.

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