Vor zwei Wochen kommt es in der Nacht von Sonntag auf Montag zu einem weiteren Vorfall. Am Morgen steht ein Polizist vor Hansers Wohnungstür, macht ihn auf die Hofeinfahrt aufmerksam. Dort prangen ein Hakenkreuz und SS-Runen an der Hauswand, die Fahrzeuge des Pflegedienstes sind mit schwarzer Farbe beschmiert und ihr Lack zerkratzt worden. Daraufhin beschloss der 34-Jährige, die Vorfälle öffentlich zu machen.
Dass es sich auch hier um eine gezielte Attacke gegen Hanser handele, "liegt schon nahe", meint Benjamin Dittus, Leiter des Pflegediensts. Sicher könne man allerdings nicht sein. "Ich hatte auch viele Entlassungen", sagt Dittus, diese seien aber ohne Streit verlaufen. Er vermutet, dass die Farb- und Kratzattacke irgendwann nach Mitternacht stattgefunden habe, denn der Pflegedienst endet um 21 Uhr und beginnt um 5.30 Uhr. Gegen 23 Uhr sei noch ein Nachbar mit dem Hund draußen gewesen, der auch nichts bemerkt habe. Insgesamt sei ein Schaden von 25.000 bis 30.000 Euro entstanden, schätzt Dittus, auch sein geleastes Privatauto ist betroffen. Wenn jemand mit ihm ein Problem habe, dann solle die Person doch einfach bei ihm klingeln und mit ihm sprechen, aber nicht so eine "feige Scheiße" machen, sagt er. Kameras haben in Zukunft das Grundstück im Blick. Für Hinweise, die zur Ergreifung des Täters führen, bietet Dittus eine Belohnung von 5.000 Euro.
Plötzlich taucht ein Tatverdächtiger auf
Wer für die Angriffe auf seine Wohnung verantwortlich ist, darüber kann Hanser nur spekulieren. Gewaltbereite Rechtsradikale in der Stadt kenne er nicht, noch nie habe er Morddrohungen bekommen. Wenige Wochen nachdem auf Hansers Fenster geschossen wurde, teilte ihm die Tübinger Staatsanwaltschaft mit, das Ermittlungsverfahren werde eingestellt. Doch das hat sich wieder geändert. Derzeit werde gegen einen Beschuldigten ermittelt, der mutmaßlich auf Hansers Fenster geschossen habe, berichtet auf Kontext-Nachfrage Nicolaus Wegele, erster Staatsanwalt aus Tübingen. Zunächst sei die Ermittlung gegen Unbekannt zwar eingestellt worden, doch als der Beschuldigte ausfindig gemacht werden konnte, wurde sie wieder aufgenommen. Wie die Staatsanwaltschaft auf den Beschuldigten kam, ob es vielleicht einen Tipp gegeben habe, dazu will sich Wegele nicht äußern. Ein Sprecher der Polizei Pforzheim bestätigt, dass in beiden Verfahren die Ermittlungen laufen. Der Staatsschutz ist weiterhin involviert, die zweite Tat sei "offensichtlich politisch motiviert".
Hanser berichtet von großer Solidarität, die ihm widerfährt. Nach dem Schuss auf sein Fenster sei er einige Tage bei einer Parteigenossin untergekommen. Mitglieder aus dem Bündnis "Calw bleibt bunt!", bei dem er selbst aktiv ist, hätten sich an ihn gewandt, auch aus anderen Parteien wie SPD und Grüne habe es Solidaritätsbekundungen gegeben. Am vergangenen Donnerstag fand eine Soli-Kundgebung für ihn vorm Calwer Rathaus statt. "Einerseits bin ich dankbar, dass man das für mich macht", sagte er in der Woche zuvor. Andererseits finde er es komisch, dass es eine Kundgebung nur für ihn gebe. Vielleicht werde das "hochgepuscht" und es war "doch ganz anders und ich stehe dann dumm da".
Dennoch, die Solidaritätsbekundungen stärken ihm den Rücken, sagt Hanser. Er will sich weiter politisch engagieren, kandidiert bei der anstehenden Bundestagswahl als Direktkandidat für die Linken – auch wenn er weiß, dass seine Chancen "eigentlich bei null Prozent" liegen. Aber er wolle den Leuten zeigen: "Ich bin Kfz-Mechatroniker mit Hauptschulabschluss. Ich kann aber genauso mit Saskia Esken auf dem Podium diskutieren und die auch zum Schwitzen bringen."
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