Falls Sie im vorherigen Absatz nicht alles verstanden haben, lassen Sie es sich doch von Ihrem Nazinachwuchs erklären. Die jungen Leser:innen sind nun jedenfalls ausgestiegen. Kein Digital Native vermag es, mehr als 2000 zusammenhängende Zeichen am Tag zu lesen, ohne danach ein Sabbatical einzulegen. Ab jetzt sind wir Alten hier unter uns und die Adoleszenten beim Gönrgy saufen und Keta ballern.
Oder was junge Leute halt so machen, keine Ahnung, ich bin zur Stunde 32 Jahre alt, meine Jugend flackert nur noch gelegentlich als vergilbte Erinnerung vor meinem inneren Auge, während ich, die ersten körperlichen Gebrechen gewahrend, hinter Ihnen anstehe, werte Leser:innen, in dieser Warteschlange auf den Tod, die wir Leben nennen. Fragen wir uns daher in der Zeit, die uns noch gemeinsam auf Erden bleibt, was sich so viele Zeitungen seit der Europawahl fragen: Warum wollen Jungwähler unbedingt in Uropas Fußstapfen treten?
Vorweg eine kurze Anekdote: Neulich war ich unbeabsichtigt in ein Gen-Z-Konzert geraten. Auf der All-Gender-Toilette wurden reichlich Drogen konsumiert. Am ökologisch fortschrittlichen, sprich: wasserlosen Urinal vernahm ich, wie eine junge Person zu einer anderen jungen Person, die soeben hereintrat, sagte: "Du kommst genau richtig, Bro, wir hacken grade eine auf!" Woraufhin die hereintretende junge Person erwiderte: "Halt mal die Pferde flach, ich muss ACTUALLY pissen!" Worauf wiederum die andere junge Person meinte: "Wieso gehst du dazu aufs Klo, Digga?" Was verrät uns das? So viel wie jede andere Anekdote über die heutige Jugend: nichts.
Rechtsradikale bei 16 Prozent
Deshalb lieber schnell zu den unanekdotischen Zahlen: Keine andere Partei hat bei den Europawahlen mehr neue junge Wähler hinzugewonnen als die AfD. Fast jede:r sechste Deutsche unter 25 Jahren hat sie gewählt, in dieser Altersgruppe kamen die Rechtsradikalen auf 16 Prozent. Noch erschreckender: Neun Prozent haben sogar Volt ihre Stimme gegeben.
Zugegeben: Auch jede:r sechste Deutsche über 25 hat im Schnitt rechtsextrem gewählt, die AfD kam insgesamt ja ebenfalls auf 16 Prozent. Bei den 25- bis 34-Jährigen waren es sogar 18 Prozent, aber auf die möchte ich nur ungern schimpfen, ich bin wie gesagt selbst 32.
Das Phänomen des juvenilen Rechtsrucks beobachten die Metademoskopen von "Europe Elects" allerdings nur in Frankreich und Deutschland. Die beiden Länder sind in der jüngsten PISA-Studientabelle benachbart. Es wäre aber zu einfach, die Angelegenheit auf einen Bildungsmangel zurückzuführen. Zumal die meisten hierzulande unter "politischer Bildung" ohnehin nur verstehen, aus historischer Verantwortung halt nicht AfD zu wählen, sondern CDU. Und die ist bei den jungen Wählern stärkste Kraft.
Nicht erst seit der Wahl machen junge Leute uns Alten den Vorwurf, wir sprächen "sehr viel über junge Menschen, aber wenig mit ihnen" ("Zeit Campus"). Dabei ziehen doch etliche Reporterinnen und Reporter unentwegt los, um unsere neue Hitlerjugend zu interviewen. Ein Student aus Kassel, Mitte 20, erklärte gegenüber der "Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen" etwa, er sei bei der WM in Katar zuvörderst von den Südkoreanern begeistert gewesen, weil "die nur mit ihren Landsleuten gespielt haben". Die "Süddeutsche" zitiert einen 16-jährigen Azubi aus Augsburg, AfD-Wähler, mit den Worten: "Da kommen irgendwelche von der Ukraine und von Afghanistan und kriegen alles in den Arsch geschoben." Dem "Spiegel" sagte eine 20-jährige AfD-Wählerin: "Ich möchte in keinem Kalifat leben." Und die wundern sich, dass niemand mit ihnen reden will.
A bisserl TikTok, a bisserl Ampel, a bisserl Eltern
Allein: Wer trägt denn jetzt Schuld an der gegenwärtigen Dreikäsehochnazifizierung? Die journalistisch-psychologisch-soziologisch-politologische Analyse der Leitmedien fällt dürftig aus: a bisserl TikTok, a bisserl Ampel, a bisserl Eltern. Da haben Sie als "Oettle über alles"-Lesende mal wieder den entscheidenden Vorteil: Hier wird nicht gemutmaßt, hier gibt es Fakten, Fakten, Fakten, Fakten. Damit kriegen Sie bei mir sogar einmal mehr "Fakten" als beim "Focus".
Drum verrat ich’s: Schuld daran, dass unsere uninformierten Jungspunde wählen waren, sind selbstredend diejenigen, die sie zum Wählen geschickt haben. Namentlich Barbara Schöneberger, Jürgen Vogel, Stefanie Giesinger, Eckart von Hirschhausen, Marie Nasemann, Florian David Fitz und wie immer Hannes Jaenicke. Die und noch ein paar andere Dampfpfannenvisagen hatten sich vor der Wahl für ihre Kampagne "Wählen ist wie Zähneputzen: Machst du’s nicht, wird’s braun!" beim Kauleistenschrubben gefilmt und dazu aufgerufen, wählen zu gehen. Das Resultat ist bekannt.
Um im Bild zu bleiben: Es kommt halt schon drauf an, womit man sich die Fressluke fegt, wenn’s nicht braun werden soll – von Nutella als Zahncreme raten führende Dentist:innen beispielsweise ab. Dabei hatte der Präsident des Lehrerverbandes, Stefan Düll, vorab noch gewarnt: Jugendliche interessierten sich laut Düll "nicht die Bohne" für Politik. Und das lässt sich auch nicht ändern. Junge Leute sind schlichtweg vollverblödet. Doch sie können nichts dafür, es ist genetisch bedingt, schauen Sie sich die Eltern an.
Als Gesellschaft müssen wir deshalb konsequent durchgreifen gegen Jungwähler. Und zwar in drei Schritten. Erstens: Wir lassen Jungwähler, die nach dem Abi nach Australien oder Südamerika geflogen sind, nicht mehr rein. Sollen die sich geschlossene Grenzen mal von außen anschauen. Zweitens: Jene Jungwähler, die noch im Land sind, müssen mit aller Härte abgeschoben werden. Dahin, wo sie hergekommen sind. Leid tun mir da nur die Mütter. Drittens: Wir heben das Wahlalter wieder an. Und zwar schleunigst. Bevor Susanne Daubner "Remigration" als Jugendwort des Jahres vermelden muss. Denn das ist die Lehre der letzten Wahl: Auch mit 18, selbst mit 24 Jahren sind Deutsche ganz offensichtlich noch zu jung, um zu wählen. Welches aber wäre ein angemessenes Wahlalter? Wenn Sie mich fragen: 32.
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Peter Meincke
am 03.07.2024