Nach und nach kamen hunderte SMS ans Licht, darunter hochnotpeinliche. Sie illustrierten, dass und wie Kurz mit einer kleinen Schar Getreuer versuchte, die alleinige Kontrolle über Führungsebenen in Ministerien und Schlüsselpositionen über die Politik hinaus zu erlangen und zu behalten, wie mit Behauptungen munter andere schlechtgemacht wurden. Längst ist vieles in die Geschichtsbücher eingegangen und mittlerweile selbst der österreichische Boulevard besonders streng. Als "französischen Sebastian Kurz" bezeichnet die auflagenstarke "Kronen-Zeitung" Jordan Bardella, den politischen Ziehsohn von Marine Le Pen, zu Wochenbeginn nach dem ersten Parlamentswahlgang in Frankreich und analysiert eine "perfekte Machterschleichung".
Die Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl hat sich jahrelang mit den Methoden des ehedem jüngsten Außenministers Europas befasst, mit dessen "Tricks" und mit "der Kunst des Lösens fiktiver Probleme, die bei Bedarf immer wieder ins Rampenlicht gerückt werden" könnten. So sei ein und dieselbe radikale Moschee mehrfach geschlossen worden. Auch habe es Kurz wie kaum ein anderer verstanden, "das alte Spiel von Land gegen Stadt zu spielen". Die eine sei eben voller Obergescheiter, das andere dagegen stehe für Bodenständigkeit und Zusammenhalt.
"Von Könnern lernen"
Vielleicht haben die zwei ziemlich guten Polit-Freunde genau über solche Sachen gesprochen. Anfang Mai schlugen Südwest-CDU und CSU jedenfalls eben jene Saite an. "Die Ampel ist ein reines Großstadtbündnis", heißt es in einer gemeinsam in Lindau verabschiedeten Erklärung, und die Bundesregierung versuche, den ländlichen Raum zu schwächen. Schon als Generalsekretär hatte Hagel auf heiße Tipps aus Wien zurückgegriffen, gerade in Sachen Digital-Wahlkampf, wollte "von Könnern lernen". Womöglich feixten Hagel und Kurz aber sogar schon vorab über den wochenlang vorbereiteten Coup, die Mannheimer Grünen-Bundestagsabgeordnete Melis Sekmen in die Unionsfraktion zu holen. Hagels Reaktion hat jedenfalls Kurzsche Qualitäten, wenn er den Übertritt bejubelt: "Das passt so herrlich zur CDU Baden-Württemberg als politische Heimat für die fleißigen Menschen im Land." So wird subtil, aber unmissverständlich mittransportiert, dass er den grünen Koalitionspartner genau dafür nicht hält.
Oder der Österreicher hat berichtet, wie es sich so lebt nach dem Ausstieg aus der Politik, als er zur Thiel Capital nach Kalifornien wechselte und damit in die Dienste jenes gebürtigen Frankfurters Peter Thiel, der in den USA Milliarden machte und Teile davon 2020 in den Wahlkampf von Donald Trump nahestehenden Republikanern steckte.
Oder sie haben sich an diesem späten Mittwochabend doch bloß über den Sieg der deutschen Fußball-Nationalmannschaft über Ungarn gefreut, in dem schicken Kontor, in dem Wein statt Bier gezapft wird. Kurz hätte ihm berichten können, wie er sich so gefühlt hat als Ehrengast beim WM-Endspiel in Katar im Dezember 2022. Und Hagel selber schlüpft ohnehin schon mal ins Mannschaftstrikot – um natürlich nur gegen den Ball zu treten.
Kontext stellte konkrete Fragen zum Treffen im Stuttgarter Süden, unter anderem dazu, von wem die Initiative ausging und wie der Kontakt zwischen Manuel Hagel und Sebastian Kurz überhaupt zustande kam. Steffen Tanneberger, der Pressesprecher der CDU-Landtagsfraktion, reagierte knapp und unmissverständlich: "An diesen Spekulationen beteilige ich mich nicht."
4 Kommentare verfügbar
R.Ritter
am 07.07.2024Jetzt fehlen nur noch die Meinungsforscherin Sabine Beinschab und im Hintergrund der gute
„Freund Thomas Schmid“ und wir haben den Württembergischen „Sebati/wasti Kurz 2.0“
Manuel Hagel