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Wehrkräfte zu Lehrkräften

Von der Wiege bis zur Knarre

Wehrkräfte zu Lehrkräften: Von der Wiege bis zur Knarre
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Bundesbildungsbettina Stark-Watzinger fordert ein "unverkrampftes Verhältnis zur Bundeswehr" an deutschen Schulen. Die Schulen wiederum haben eigentlich ganz andere Probleme. Doch keine Sorge: Unser Kolumnist kennt die Lösung.

"Lieb Vaterland, magst ruhig sein, / ich lasse keinen übern Rhein! / Piff-paff, des Willis Büchse knallt, / Piff-paff, die Feinde fliehen bald" heißt's im derzeit mal wieder durchs Netz geisternden Werk "Hurra! Ein Kriegs-Bilderbuch" von Herbert Rikli, das 1915 in Stuttgart verlegt wurde. Die herzerwärmende Bilderbuchgeschichte erzählt vom kleinen Willi, der davon träumt, mit seinem Hündchen Butzi und seinem österreichischen Spielkameraden Franzl in die Schlacht zu ziehen: "Klein Willi hörte viel vom Krieg, / Von Schlachtendonner, Kampf und Sieg. / Da ward ihm oft das Herzlein schwer: / Ach, wenn ich ein Soldat doch wär."

In der Folge mischt das Trio Franzosen, Russen, Engländer und Serben auf, wenn's nicht grade vom Granat- und Schrapnellfeuer erwischt wird: "In einem deutschen Lazarett / liegt Willi nun im weichen Bett. / Da ist er ja in bester Hut, / Denn, Schwester Frida pflegt ihn gut. / Und täglich kann er sich erlaben / An all den guten Liebesgaben." Am Ende jedoch die große Enttäuschung: "Klein Willi aber faßt es kaum, Daß all das Schöne nur ein Traum."

Über angestaubte Werke schreiben Feuilletonisten gerne, sie seien ihrer Betagtheit zum Trotz "gerade heute wieder hochgradig aktuell", und so möchte auch ich als Kinderbuchrezensent mich dieser Floskel bemühen, heißt es im inkriminierten Kriegs-Bilderbuch doch: "Gleich kommt auch schon der Russe her, / Gar wild und zottig wie ein Bär. / Der Russe grunzte fürchterlich: / 'Wart, kleiner Kerl, gleich hab ich dich.'" Genau so ist der Russe ja auch heute noch.

Wie mit dem zottigen Grunzerussen zu verfahren ist, wusste man schon 1915: "Schnell an die Wange das Gewehr, / Piff, paff! der Russe lebt nicht mehr. / Klein Willi aber fröhlich lacht / Und denkt, das hab' ich schlau gemacht." Klappe zu, Russe tot, Ende gut, alles gut.

Vaterlandsverteidigung im Kapitalismus

Ob es wohl so oder so ähnlich aussähe, das "unverkrampfte Verhältnis zur Bundeswehr" an Schulen, für das Bundesbildungsbettina Stark-Watzinger (FDP) neuerdings streitet? Die Zeitenwende mag monetär in vollem Gange sein, aber die Zeitenwende in den Köpfen muss noch forciert werden.

Die linken Reflexe bleiben freilich nicht aus: Kein Werben fürs Sterben! Bundeswehr raus aus den Schulen! Dabei könnte mancher Soldat bei einem Schulbesuch doch vielleicht sogar noch was lernen von den ballerspielerprobten Jugendlichen.

Ob die Bundeswehr, die bis 2031 um 20.000 Soldat:innen aufstocken will, um auf ein 200.000-Personen-Heer zu kommen, Werbung in Schulen aber überhaupt noch braucht? Während in Baden-Württemberg noch ein allgemeines Werbeverbot für die Bundeswehr an Schulen gilt, hat die Zahl der minderjährigen Rekrut:innen im letzten Jahr ein Rekordhoch erreicht: Jede:r zehnte war erst 17 Jahre alt.

Dass ausgerechnet die Union den Entkrampfungsvorstoß kritisiert, selbstredend nur, weil er von der Ampel kommt, ist echt zum Schießen. CDU-Bundesvize Karin Prien lamentiert, Stark-Watzinger mache den Kindern Angst. Thomas Jarzombek, bildungspolitischer Sprecher von CDU/CSU, meint, man müsse die Kinder "schultüchtig und nicht kriegstüchtig" machen. Gleichzeitig fordern die Verteidigungspolitiker:innen der Union samt Spaßgranate Söder Pflichtbesuche von Jugendoffizieren an Schulen inklusive verpflichtender Teilnahme für die Schüler:innen. Und freilich auch die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Die hat zumindest mir zu Schulzeiten wesentlich mehr Sorgen bereitet als jeder Bundeswehrbesuch.

Über die beliebte Musterungsfrage, was man denn zu tun gedenke, wenn der Russe plötzlich mit dem Gewehr dastehe, haben ich und meine Verweigererfreunde, die wir den letzten Wehrpflichtjahrgang bildeten, gern gelacht. Heute springt der Ivan zwar auch nicht aus dem Gebüsch im Stuttgarter Schlosspark, aber als Metapher erscheint die bescheuerte Frage angesichts des russischen Einmarschs in der Ukraine vielleicht doch nicht mehr ganz so bescheuert. Eine Ausweitung aufs Baltikum und damit Nato-Gebiet mutet zwar völlig (größen)wahnsinnig an, aber nun waren einerseits die letzten Weltkriege eben auch nicht gerade Ausgeburten der reinen Vernunft und es wäre andererseits – rein theoretisch! – schon möglich, dass auch mal jemand anderes anfängt als wir. Unverschämtheit eigentlich.

Eine faire Vorbereitung auf den Kriegsfall hieße allerdings auch, den Abc-Schützen zu erklären, dass Vaterlandsverteidigung im Kapitalismus für die allermeisten bedeutet, für ein Land zu sterben, in dem einem selbst so gut wie nichts gehört. Dass man also weniger für "die Demokratie", sondern vielmehr für Konzerne und Vermieter in die Schlacht zöge, denen man im Alltag, also jenseits vom Kriegsfall, wirklich vollkommen egal ist. Daran denkt FDP-Frau Stark-Watzinger wohl eher nicht.

Militärs zu Mathelehrer:innen

Weil die Frage zur militärischen Ausgestaltung dessen, was wir wehrhafte Demokratie nennen, gerade für Linke aber extrem unangenehm ist, möchte auch ich an dieser Stelle ausweichen. So machen wir's ja immer, wenn wir die eigentliche Frage nicht beantworten wollen. In diesem Fall verweisen wir darauf, dass die Debatte, ob man Kinder auf den Kriegsfall vorbereiten müsse, bildungspolitisch von etwas anderem ablenkt. Neben Soldat:innen fehlt es diesem Land nämlich auch an Erzieher:innen und Lehrer:innen. Trotz der genialen The-Länd-Plakatkampagne vom letzten Sommer mit dem Slogan "Keinen Bock auf Arbeit morgen? Hurraaa! Mach, was dir Spaß macht, und werde Lehrer*in!" herrscht noch immer Fachkräftemangel. (Unter uns: "Hurra, ein Kriegs-Bilderbuch" löst in mir weniger Fremdscham aus als diese Hurraaa-Plakatkampagne.)

Die Stadt Stuttgart beispielsweise baut wegen Personalmangels die Ganztageskitas ab, auf die Eltern eigentlich einen Rechtsanspruch haben. Überdies lockt Baden-Württemberg seit einem Jahr mit dem Ausbildungsprogramm "Direkteinstieg Kita" Quereinsteiger:innen mit verkürzter Ausbildungszeit und höherem Ausbildungsgehalt. Und geht diesen Weg auch an Schulen noch einen Schritt weiter: Waren bislang Quereinstiege (die das Land lieber "Direkteinstiege" nennt) für Personen ohne Lehramtsausbildung (aber mit abgeschlossenem Studium) an Grundschulen, beruflichen Schulen und in der Sekundarstufe I möglich, gilt dies mittlerweile auch für Gymnasien. Größtenteils zwar nur in Quatschfächern wie Mathematik, Physik, Chemie, Biologie und Informatik, aber eben auch in systemrelevanten Disziplinen wie Bildender Kunst.

Ausgebildeten Lehrer:innen zeigt man auf diese Weise zum einen recht uncharmant, dass deren gewonnene Expertise aus Pädagogik- und Didaktikstudium plus anderthalb Jahren Referendariat im Grunde auch en passant erworben werden kann. Zum anderen setzt sie das Kultusministerium noch zusätzlich unter Druck: Sie müssen neuerdings mindestens eine 75-Prozent-Stelle ausüben. Was unter anderem dazu führt, dass Lehrkräfte, die wirklich gerne eine 50-Prozent-Stelle übernommen hätten, nun eine Null-Prozent-Stelle machen. Brillant! Die Bildung unseres Landes ist in guten Händen.

Da sich hier aber womöglich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen lassen, habe ich das Konzept "Von der Wiege bis zur Knarre" entwickelt: Künftig halten die Soldat:innen nicht nur Vorträge, sondern werden an Schulen auch gleich als Quereinsteiger:innen eingesetzt. Militärs zu Mathelehrer:innen! Mit spannenden Rechenaufgaben: Wie viel Geld muss man in ein dysfunktionales Beschaffungswesen kippen, bis jemand im Bendlerblock kapiert, dass etwa 2,8 Milliarden Euro allein für neue Bundeswehrkopfhörer doch ein bisschen viel sind? Und auch in den Kitas kommt's zum Bundeswehreinsatz: Windeln wechseln, Mittagsschlaf, Streitschlichtung durch Streitkräfte. Piff-paff, alle Probleme gelöst. Hach, mir wird das Herzlein schwer: Wenn ich doch Kultusminister wärꞌ!

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1 Kommentar verfügbar

  • Dr. Karsten Vetter
    am 13.05.2024
    Antworten
    Viel durcheinander geworfen, launig geschrieben, allein was fehlt ist der Sinn... geht schon bei den innerstaatlichen Kompetenzen los.
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