Wolfram Steinmayer kann es nicht fassen: Es sei ja in Ordnung, bei Arbeiten an der Fassade die Fallrohre zu entfernen, meint der Architekt im Ruhestand. "Aber dann muss man doch das Wasser richtig ableiten!" Das Dach der Pauluskirche im Stuttgarter Westen besteht aus einem Zickzack von sieben kleinen Giebeln. Dazwischen sammelt sich das Regenwasser. "Jetzt läuft es direkt an der Fassade herunter", stellt Steinmayer entsetzt fest, "in die Trennfuge zwischen Kirche und Gemeindesaal. Da sucht es sich den Weg des geringsten Widerstands. Das Parkett ist beschädigt, die Wärmedämmung durchnässt."
Vor zwei Jahren wollte die Evangelische Gesamtkirchengemeinde Stuttgart die 1961 fertiggestellte Pauluskirche abreißen. Druck kommt von der Landeskirche, die viele Immobilien besitzt und sich den Unterhalt nicht mehr leisten kann. Daher erfolgt verstärkt die Zusammenlegung von Kirchengemeinden, die dann selbst entscheiden sollen, welche Sakralbauten verzichtbar sind. Zur Kirchengemeinde Stuttgart-West gehören drei Kirchen: Der denkmalgeschützten Johanneskirche am Feuersee kam erst kürzlich eine Sanierung in Höhe von fünf Millionen Euro zugute. Die Paul-Gerhardt-Kirche wird von einer Stiftung mitgetragen, eine weitere setzt sich für den interreligiösen Dialog ein; ein Begegnungszentrum zieht mehr Besucher an als der sonntägliche Gottesdienst. Bleibt nur die Pauluskirche.
Kirche gegen Kirche
Dass diese aber verzichtbar sein soll, wollen nicht alle im Westen einfach so hinnehmen. Daher hat sich nach dem Bekanntwerden der Abrisspläne eine Initiative gebildet, die den Bau erhalten will: das Komitee "Paulus jetzt!". So gelang 2023 ein Kompromiss: Die Kirche lässt die Außenstützen instandsetzen, um die Standfestigkeit zu sichern und fünf Jahre Zeit zu gewinnen. Seit einem Jahr laufen die Arbeiten. Doch sie machen nun alles nur noch schlimmer.
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Volker Würthwein
am 20.01.2025