Da ist es nicht verwunderlich, dass der frühere Generalsekretär der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften, Elhadj As Sy, kürzlich vor einem weiteren Auseinanderdriften von reichen und armen Ländern im Zuge der Corona-Pandemie gewarnt hat. Die weitreichenden Hilfszusagen hätten sich überwiegend als leere Versprechungen entpuppt, heißt es in einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung". Die internationalen Solidaritätsbekundungen seien nicht mehr als Lippenbekenntnisse.
In einem unter Sys Regie entstandenen Report zur Gesundheitspolitik weltweit wird nicht nur die verfehlte Corona-Bekämpfung angeprangert. Das Gremium fordert eine Stärkung der WHO, einen fairen Mechanismus und eine zentrale Koordination für die Vorsorge und Bekämpfung von Pandemien. Das ist auch für Schneider die richtige Strategie. Längst hätte es auf der Basis des von der WHO eingesetzten Mechanismus ein Aussetzen des Patentschutzes und einen Transfer von Technologien nach Afrika geben können und müssen, damit vor Ort Impfstoffe produziert werden können. Ärzte ohne Grenzen hat auch aufgezeigt, dass dies in Ländern wie Südafrika und dem Senegal schon jetzt ohne Weiteres möglich wäre. Auch andernorts könnten schnell Kapazitäten geschaffen werden.
Eine Blaupause für das, was getan werden sollte, sieht Schneider in der Aids-Bekämpfung. Wären die Kampagnen von kirchlichen Organisationen wie Brot für die Welt oder Misereor zur Herstellung billiger Generika nicht erfolgreich gewesen, könnte heute der Großteil der weltweit 37 Millionen HIV-Infizierten nicht behandelt werden. Die günstigen Arzneimittel, die den identischen Wirkstoff wie die patentgeschützten Produkte enthalten, seien die einzige Möglichkeit zur Bekämpfung der Krise in den armen Ländern gewesen. Und die Pharmakonzerne habe dieser Schritt keineswegs in den Ruin getrieben, fügt sie hinzu.
Eigeninteresse schadet den eigenen Interessen
Seit Beginn der Pandemie ist Difäm vor Ort aktiv, gefördert vom Hilfswerk Brot für die Welt. In einem bis Ende 2022 laufenden Vier-Millionen-Euro-Projekt geht es in 20 Ländern mit 32 Partnern darum, Krankenhäuser sicherer zu machen und Gemeinden zu sensibilisieren. Außerdem werden für Gesundheitsstationen Sauerstoffkonzentratoren und andere medizinische Geräte und Schutzausrüstung geliefert. In einem weiteren Projekt werden kirchliche Partnerorganisationen für Impfaktionen fit gemacht durch die Ausstattung mit Kühlschränken und Transportmöglichkeiten. Auf digitalem Weg ist Difäm im Moment mit 200 Gesundheitsmitarbeitenden im ständigen Austausch und hat insgesamt über 2.000 Gesundheitseinrichtungen erreicht.
Grundsätzlich hält Schneider jedoch eine Abkehr vom Prinzip der Wohltätigkeit erforderlich hin zu solidarischem Teilen. Das ist ein weiter Weg. Selbst von den zugesagten Spenden ist nur ein Teil tatsächlich vor Ort angekommen. "Impfdosenspenden sind nicht verlässlich, kommen plötzlich und haben eine sehr kurze Haltbarkeit", lautet zudem das Fazit eines Partners in Kenia. Impfkampagnen sind unter diesen Umständen nur schwer zu organisieren. Die eurozentrische Politik, ausgerichtet auf die eigenen ökonomischen und geopolitischen Interessen, könne sich am Ende in einer Pandemie schnell gegen die eigene Gesundheit und auch Wirtschaft auswirken, so Schneider.
Dies bekräftigt auch die Genfer Gesundheitsexpertin Ilona Kickbusch. Gegenüber der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin kritisierte sie kürzlich das bisherige internationale Vorgehen: "Zunächst einmal haben die meisten Länder, die für alle Mitgliedsländer der WHO verpflichtenden internationalen Gesundheitsvorschriften nicht umgesetzt. Dann galt sehr schnell 'My Country First': Grenzen wurden hochgezogen, Lieferketten unterbrochen oder Verträge über Lieferungen von Masken nicht eingehalten. Es war ein Beispiel der Nichtzusammenarbeit."
Gleichzeitig ist nach ihrer Ansicht auch die Schwachstelle des Entwicklungshilfemodells hervorgetreten: Globale Gesundheitspolitik lässt sich für Kickbusch nicht mit Wohltätigkeit lösen. "Es braucht ganz neue Finanzierungsformen", sagt sie, plädiert für eine Stärkung der WHO und fordert, beim Patentschutz weniger auf die Argumente von Partikularinteressen aus der Wirtschaft zu hören.
Kann man aus den bisherigen Fehlern lernen? Schneider hofft, dass die neue Ampelkoalition andere Akzente setzt. Zumindest die Absicht zum Technologietransfer hat sie im Koalitionsvertrag gefunden. Aber reicht das für die notwendige Kehrtwende? Der Blick auf das bisherige Desaster lässt Zweifel aufkommen. Hier wären wohl einige Anknüpfungspunkte für sinnvollen Corona-Protest gegeben.
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