Soto betont, dass das Land gerade massiv mit dem Coronavirus zu kämpfen hat – erfolgreiche Impfkampagne hin oder her. "Es wurde nicht aus den Erfahrungen der Europäer gelernt", sagt Soto. Dort habe sich gezeigt, sagt er, dass wildes Herumreisen förderlich zur Verbreitung von Infektionen und Mutationen sei. Dennoch habe man in Chile keine Grenzen geschlossen. Momentan steuert der südamerikanische Staat auf einen kompletten Kollaps des Gesundheitssystems zu. Intensivbetten seien fast alle belegt. "Die Belastung für das Pflegepersonal ist enorm", betont Soto.
Medienberichten zufolge ist der Druck so groß, dass einige bereits ans Aufhören denken – eine traurige Gemeinsamkeit, die Chile mit Deutschland teilt. Die zweite Welle schwappt dort gerade auf ihren Höhepunkt zu. Ein Denkfehler mancher BürgerInnen treibt die Zahlen in die Höhe: "Einige denken leider, dass sie direkt nach ihrer ersten Dosis immun sind. Diese falsche Sicherheit ist natürlich ein Irrtum", sagt Claudio Soto Vicencio. Er kritisiert dieses Verhalten, erzählt auch von "heimlichen Partys" in der Hauptstadt Santiago, in der er wohnt. Hier müsse mehr Bewusstsein her – dass eine Impfung noch kein sofortiger Freifahrtschein für alles sei.
Vakzin-Wunder Chile?
Hierzulande wird über Detailfragen bis in die Nacht gestritten. Krankenhäuser werden dank den warmherzigen Empfehlungen der Bertelsmann Stiftung auch während der Pandemie geschlossen. Die Krisenkommunikation der Regierung besteht mitunter darin, ein Blatt Papier in die Kameras zu halten.
In Chile zeigt die Kampagne "Yo me vacuno" ("Ich lasse mich impfen") kurze Videoclips von ÄrtzInnen, die häufige Fragen rund um die Coronavirus-Impfung klären. Auch eine Information über gängige Mythen erklärt in einfacher Sprache, weshalb etwa mRNA-Vakzine nicht die DNA verändern. Das Design ist bunt, das Peace-Zeichen etablierte man als Symbol für die Kampagne. Keine kreative Höchstleistung – dennoch sucht man so etwas in Deutschland vergeblich.
Was in Chile passiert, ist kein Wunder, kein Zufall, keine göttliche Fügung. Gerade die Tatsache, dass trotz des gelungenen Impf-Managements die Zahl der Infizierten vor Ort auf einem Höchststand ist, die Krankenhäuser am Limit – all das ist eine Warnung an andere Länder. Die Botschaft lautet: Bis zur Herdenimmunität bleibt das Gesundheitssystem fragil. Die Regierung in Chile hat sich zum Ziel gesetzt, 80 Prozent der Bevölkerung bis zur Jahresmitte zu immunisieren. Die TV-Journalistin Caterina Matta zeigt sich zuversichtlich: "Ich denke, dass wir die 80 Prozent erreichen." Vielleicht geht das Coronavirus dann endlich – ganz ohne explizite Bitte des Präsidenten.
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