Wenn Martin Wißler auf seinem Balkon steht, schaut er auf drei stattliche Häuser. Alle haben sie dieses tief herabgezogene Dach. Das eine gehört einem Saudi, das zweite einem Belgier, das dritte einem Schweizer. Es ist Abend, in keinem brennt Licht, eigentlich ist es wie immer. Nachbarn habe man doch "zom zemmehebe", sagt Wißler in diesem Alemannisch, das so gemütlich klingt. Das sei wichtig, hier oben in Schluchsee. Aber gegenüber braucht man das nicht. Die Eigentümer sind selten da, den arabischen Nachbarn hat er schon lange nicht mehr gesehen. Dessen Haus heißt "Schwarzwald-Mädl", vor der Tür grüßt ein Bollenhut-Mädchen, auf dem Dach thront eines dieser typischen Schwarzwald-Türmchen, dessen Glocke der Erstbesitzer mitgenommen hat. Die Gemeinde zählt 900 Zweitwohnungen bei 2500 EinwohnerInnen.
Wißler hat uns in sein Zuhause eingeladen, um zu erklären, was schief läuft im Hochschwarzwald, jenem Fleckchen Erde um den Feldberg herum, das aufgehört hat, eine Idylle zu sein, wenn es denn je eine war. Es gibt Rothaus-Bier, sein Sohn schafft dort. Der 49-jährige Vater ist Elektroniker im Hauptberuf, Wanderführer im Schwarzwaldverein und aufgeschreckt von einem Projekt, das den Namen "Naturresort Schluchsee" trägt. Entstehen soll eine Viersterne-Location für 48 Millionen Euro, am Waldrand gelegen, mit Blick auf den See, an einem sanften Hang, auf dem ein Milchbauer wirtschaftet. Alternativ könne er doch einen "Streichelzoo" eröffnen, soll es auf der Gemeinde geheißen haben.
Für die Hotelanlage wird mit 299 Betten für junge finanzkräftige Menschen gerechnet, 72 Suiten mit eigenen Saunen, kein Betonklotz, sondern ein "Themendorf" hauptsächlich aus Holz, angelehnt an heimische Knechts- und Wiesenhäuser. Die potenziellen Bauherren, gemeinhin als Investoren bezeichnet, sind Hubertus Wichmann aus Ratingen in Nordrhein-Westfalen, der sich selbst als Destinationsentwickler bezeichnet, und Klaas Odink, Geschäftsführer der Kopare Leisure Development im niederländischen Lutten. Betreiber soll die holländische Firma Landal Green Parks sein, die europaweit 87 Ferienanlagen managt.
Wir schaffen das, sagt der Taxler im Widerstand
Wißler hat noch weitere Aufgeschreckte mitgebracht, die zur Aufklärung einer Bürgerschaft, die bisher sehr ruhig ist, beitragen wollen. Einen Mann vom Arbeitsamt, Stefan Wißler, 59, mit dem anderen Wißler nicht verwandt, und Erwin Modispacher, 62, Taxiunternehmer und Schulbusfahrer vor Ort. Auch diese beiden sind radikaler Umtriebe unverdächtig. "Wir leben in Schluchsee" heißt ihre Bewegung, die 150 Unterschriften der Einheimischen braucht, um in ein Bürgerbegehren gegen das "Naturresort" münden zu können. Locker würden sie das schaffen, sagt der Taxler, der viel rumkommt und weiß, was die Leute wollen: Ruhe. Sie sind ja nicht die deutsche Fußballnationalelf, die aus Schluchsee ein "Schlucksee" gemacht hat. Das war 1982, als der Ort einmal richtig berühmt wurde, weil Beckenbauer und Kameraden mehr gezecht als trainiert haben.
2 Kommentare verfügbar
Nico
am 22.09.2021mehr oder weniger ohne Unterbrechungen dort aufgewachsen sind, längere Aufenthalte in
den nicht-so-stark-industrialisierten Ländern.
Und dies nicht auf 1-2-3-4-*Sterne-Niveau. Sondern ganz nah bei den…