Gelegentlich ist es hilfreich, zunehmend verwirrende Konstellationen auf ihre Essenz reduziert zu betrachten. Also: In Stuttgart soll ein funktionierender Kopfbahnhof durch einen unterirdischen Durchgangsbahnhof ersetzt werden. Und weil sich irgendwann zeigt, dass der unterirdische offenbar nicht genug wird leisten können, soll er durch einen kleinen Kopfbahnhof ergänzt werden. Zu diesem Zweck soll nicht etwa ein Teil des alten Kopfbahnhofs an der bestehenden Stelle belassen, sondern die Gleise sollen erst einmal abgerissen und dann tiefer gelegt werden. Damit oben gebaut werden kann, was der Stadt Stuttgart sehr wichtig ist.
Das ist, etwas zugespitzt, was Winfried Hermanns Ministerium am 16. Juli im Stuttgarter Gemeinderat als Konzept für eine "ergänzende Infrastruktur" vorgestellt hat (Kontext berichtete). Wem dieses skizzierte Vorhaben nun ein wenig absurd vorkommt, der hat sich noch nicht allzu viel mit Stuttgart 21 beschäftigt. Wobei es offenbar doch absurd genug ist, dass am 22. Juli in der "Stuttgarter Zeitung" der leitartikelnde Christian Milankovic schreibt: "… sollte am Ende der Beratungen die Erkenntnis stehen, dass es einen verkehrlichen Bedarf für weitere Gleise in der Innenstadt gibt, dürfte der nun beworbene Plan von einem unterirdischen Kopfbahnhof schnell zu den Akten gelegt werden. Wo es einen Bedarf und Gleise gibt, bleiben die an Ort und Stelle."
Was dereinst zu den Akten gelegt werden wird, steht in den Sternen. Und noch haben sich Stadt, Land und Deutsche Bahn (DB) ja nicht zu den Gesprächen über eventuelle Ergänzungen der bislang geplanten S-21-Infrastruktur getroffen. Deren bloße Ankündigung am 16. Juli wurde schon als kleine Sensation gewertet. Dafür, dass über so eine Ergänzung überhaupt gesprochen werden soll und damit die zu kleine Dimensionierung der geplanten Tunnelhaltestelle eingeräumt wird, gab es schon Lob von S-21-Gegnern wie Stadtrat Hannes Rockenbauch (SÖS). Viel Kritik gab es jedoch auch – was etwas unterging.
Eine Schüssel Zahlensalat: 30, 36, 49, 37, 56
An dem Vorstoß des Landesverkehrsministeriums sei "manches richtig, aber leider auch vieles falsch", sagt Christoph Engelhardt. Der Physiker aus Garching bei München gilt als einer der besten Kenner des Projekts und seiner Mängel; er hat das Faktencheck-Portal Wikireal initiiert, war Experte bei der von Heiner Geißler moderierten "Stresstest-Präsentation" im Juli 2011. "Richtig" findet Engelhardt die Erkenntnis, dass Stuttgart 21 zu klein dimensioniert ist, zu wenig Kapazität hat, um eine Verdopplung der Fahrgäste im Schienenverkehr zu erreichen – aus dieser Forderung des 2017 abgeschlossenen Koalitionsvertrags der Bundesregierung leitete Hermann ja seine Initiative für den Ergänzungsbahnhof ab. "Schlicht falsch" sei dagegen, wenn das Ministerium als gegeben darstelle, dass der Tiefbahnhof 30 Prozent mehr Kapazität gegenüber dem Kopfbahnhof bringen werde. Dies hatte die Bahn im Juli 2011 in der Stresstest-Präsentation zu zeigen versucht. Tatsächlich verringere S 21 die Kapazität im Fern- und Regionalverkehr um 36 Prozent, sagt Engelhardt.
12 Kommentare verfügbar
Jue.So Jürgen Sojka
am 19.08.2019Gaukeln zu den Kapazitäten ist die Folge aus dem Gaukeln »Betrügen und Lügen« über _alles_ was diesem vorausgegangen ist!
Tatsächlich ist vieles falsch in den Prämissen, die schon _immer_ gesetzt waren – besonders von jenen, die sich vor allem durch _ihr_ gegeneinander stehen…