Bedenkenswerte Möglichkeiten böte ein Umstieg auch im Baufeld Mittlerer Schlossgarten: Nicht genug, dass man sich hier die temporäre Kappung der Stadtbahnverbindung mit all ihren Einschränkungen für Pendler und den Bau des Nesenbachdükers sparen könnte. Darüber hinaus ließe sich in der Schlossgarten-Baugrube "auch mühelos die benötigte Interims-Oper errichten, die nach Sanierung der Alten Oper wieder verschwinden und dem wieder herzustellenden Schlossgarten weichen würde", sagt Klaus Gebhard. Der Parkschützer und Diplomingenieur hat viele der Alternativ-Ideen des Umstiegskonzepts entwickelt. <link https: www.kontextwochenzeitung.de politik runter-vom-ross-4733.html internal-link-new-window>Mag das alte Paketpostamt als möglicher Interimsspielort auch seinen Charme haben, die Schlossgarten-Variante läge in unmittelbarer Nähe der Kulturmeile.
Anbindung der Neubaustrecke? Geht auch ohne S 21
Besonders lohnenswert wird der Blick aufs Umstiegskonzept bei der Neubaustrecke (NBS) Wendlingen-Ulm, die mehrere Jahre früher als Stuttgart 21 fertig wird. Um eine jahrelange, teure Instandhaltung ungenutzter Tunnel zu vermeiden, plädieren mittlerweile auch die Bürgermeister von Ulm und Merklingen darauf, die NBS sofort nach Fertigstellung zu nutzen, sprich: über die bestehende Neckartalstrecke in den Kopfbahnhof zu fahren.
Das wäre schon nach den aktuellen Planungen möglich. Denn eine eingleisige Verbindungsspange zwischen Neubaustrecke und Neckartalstrecke ist ohnehin Bestandteil des NBS-Projekts. Die Eingleisigkeit sorgt aber für einige Nachteile durch konkurrierende Züge, sie schwächt die Leistung der Strecke und könnte den Fahrplan durcheinander bringen. Im Umstiegs-Konzept wird daher eine leistungsfähige, kreuzungsfreie Anbindung bei Wendlingen mit einem zweiten Gleis gefordert. Einen möglichen Verlauf hat Gebhard schon skizziert, auch wenn er mit dem Widerstand der S-21-Planer rechnet, "denn so würde sich ja zeigen, dass man genauso schnell nach Stuttgart kommt wie mit S 21."
Die Zahlen freilich sprechen für sich: Zwischen Ulm und Wendlingen beträgt die Fahrzeit auf der NBS 20 Minuten, rund 25 weniger als bisher. Zwischen Wendlingen und dem Stuttgarter Hauptbahnhof brauchen auf der Bestandsstrecke durchs Neckartal die schnellsten Züge 16 Minuten. Wie lange es bei S 21 von Wendlingen über die Fildern zum Hauptbahnhof brauche, sei laut den Autoren des Umstiegs-Konzepts zwar nicht so leicht zu ermitteln gewesen. Doch Befragungen von Lokführern hätten ergeben, dass es ebenfalls 16 beziehungsweise 12 Minuten (mit und ohne Flughafenhalt) sein werden. Also maximal vier Minuten Fahrzeitersparnis durch den milliardenschweren Tunnelbahnhof.
Selbst das Institut des S-21-Erfinders kommt teils zum gleichen Ergebnis
Zum Umstiegs-Konzept gehört auch ein S-Bahn-Ringschluss von den Fildern ins Neckartal. Denn momentan klafft zwischen Bernhausen auf den Fildern und Wendlingen im Neckartal eine Lücke im S-Bahnnetz, der öffentliche Verkehr dazwischen beschränkt sich auf Buslinien und ist völlig unzureichend. Wie dringend hier eine Verbesserung nötig wäre, zeigen die Massenstaus auf den Autobahnen A8 und A81.
Unzufrieden darüber, hatte im Frühjahr 2017 eine Gruppe von Bürgermeistern aus der Filder- und Neckartal-Region das Verkehrswissenschaftliche Institut (VWI) der Uni Stuttgart mit einer Prüfung der Machbarkeit eines S-Bahn-Ringschlusses beauftragt. Das VWI, dem einst S-21-Erfinder Gerhard Heimerl vorstand, und das aktuell vom gleichfalls leidenschaftlichen Projektbefürworter Ullrich Martin geleitet wird, kam kurioserweise zu einer nahezu identischen Streckenführung wie Gebhard. Doch Stuttgart 21 behindert den vernünftigen Ringschluss gleich doppelt: Zum einen, weil der Tunnelbahnhof viele Mittel bindet, die für die Finanzierung nötig wären. Zum anderen, weil bei den bisherigen S-21-Planungen des Filderabschnitts der Mischverkehr von Fern- und S-Bahnen <link https: www.kontextwochenzeitung.de gesellschaft tabula-rasa-auf-den-fildern-4718.html internal-link-new-window>schon den jetzigen S-Bahnverkehr an den Rand des Kollapses bringen würde.
Ernsthafte Reaktionen sind noch Mangelware
Eine tiefer gehende Beschäftigung der S-21-Projektpartner (Bahn, Bund, Land, Region, Stadt und Flughafen Stuttgart) mit dem Umstiegs-Konzept blieb bislang aus. Dabei wird dies von einem Großteil der Bevölkerung gewünscht: In einer repräsentativen Umfrage, die der Berliner Politikprofessor Peter Grottian Anfang 2017 durchführte, sprachen sich immerhin 63 Prozent der befragten Baden-Württemberger dafür aus, dass die Projektpartner das Umstiegskonzept ernsthaft prüfen sollten (<link https: www.kontextwochenzeitung.de politik aus-mist-plaetzchen-backen-4199.html internal-link-new-window>Kontext berichtete).
4 Kommentare verfügbar
Horst Ruch
am 13.12.2017Laut EX-OB Schuster, würden die Touristen aus aller Welt hierher strömen um das Wunderwerk einer einmaligen Gleisüberdeckung zu betrachten. Auch ein Scheich aus dem Morgenland fand es zum Nachbauen schön. Nur als…