Eine "filmreife Inszenierung" sei das gewesen, sagt Jens Heidrich, der für das linke Zentrum Lilo Herrmann spricht. Früh morgens am 5. Dezember, etwa gegen sechs Uhr, sperren Polizisten alle Zufahrten zum Gebäude ab, Anwohner schildern, wie ein schwarzer LKW ohne Kennzeichen vorfährt. Dann strömen etwa zwei Dutzend bewaffnete Beamte in schusssicheren Westen heraus. Die Eingangstür unten öffnen die Einsatzkräfte per Elektrodietrich, zur Wohnung im Dachgeschoss verschaffen sie sich Zugang per Rammbock. Der Verdacht lautet: schwerer Landfriedensbruch. Schließlich beschlagnahmen sie einen Computer, ein Handy, einige Flyer und einen Autoschlüssel. "Aber keine Waffen", betont Heidrich und sagt, dass hier in der Medien-Berichterstattung nicht differenziert wurde.
Von einem "ganzen Arsenal" war da teils die Rede – Baseballschläger, Macheten, eine Schreckschusswaffe, sogar eine Armbrust wurde bei den Razzien, darunter auch zwei in Privatwohnungen, im Großraum Stuttgart sichergestellt. Heidrich geht davon aus, dass absichtlich ausgespart wurde, dass nichts davon aus dem linken Zentrum stammt. "So soll unser Projekt in der Öffentlichkeit diskreditiert werden", sagt er.
Eine spontane Hausführung an den Ort des Geschehens ist kein Problem, an der Tür sieht man noch gesplitterten Lack und eine dicke Delle. Alle vier WG-Zimmer sind erreichbar über eine kleine Küche. Auf der Kühlschranktür ist kaum ein Fleck frei, der noch nicht mit politischen Stickern beklebt ist (die meisten sind rot), in einem großen Hängekorb liegt eine bunte Mischung frisches Obst und an einem Holzbalken, der kaum zwei Meter hoch quer durch den Raum verläuft, baumeln die kleinen Päckchen eines selbstgebastelten Adventskalenders. "Mit der Kirche hat das nichts zu tun!", erklärt eine Bewohnerin, "sondern mit Solidarität und Zuneigung."
Für Jens Heidrich gehört das zur "integralen Verzahnung" des Zentrums. Die politischen Ideale müsse man auch aktiv leben, also wohnen hier nur Aktivisten. Vor gut sieben Jahren haben er und FreundInnen das Gebäude gekauft und grundsaniert, mit Unterstützung durch das <link https: www.kontextwochenzeitung.de gesellschaft wohnen-ohne-dicke-kohle-2788.html internal-link-new-window>Mietshäuser-Syndikat. Der Altbau von 1875 sei vorher nie grundlegend erneuert worden, erzählt Heidrich, "zwei Jahre lang haben wir für das Nötigste gebraucht, mit einem relativ kleinen harten Kern und unendlich vielen Freiwilligen." Inzwischen ist das Haus umweltfreundlicher geworden, dank neuer Dämmung, Wärmeschutzfenstern und einer Photovoltaikanlage auf dem Dach. Bis Anfang 2008 gab es im Erdgeschoss noch ein Theater und eine Gaststätte, dort sind jetzt ein Veranstaltungssaal mit Infoladen und ein Café, in dem Leute frei von Konsumzwang zusammensitzen können. Die Gerichte auf der Karte sind fast alle vegan, zwei Ausnahmen gibt es: mit Parmesan und Hirtenkäse. Auch der Kaffee wird wahlweise mit Kuhmilch angeboten.
9 Kommentare verfügbar
Schwa be
am 18.12.2017Um später nicht mit leeren Händen da zu stehen wurden vermutlich auch…